Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)
vergeblich. Er blickte unter sich, wo Malik und ein anderer Mann versuchten, ihn unter Wasser zu ziehen. Jeder von ihnen hielt ein Bein fest. Er schlug um sich, traf die Männer an Kopf und Schultern. Doch es kam ihm vor, als prügele er auf Holzdielen ein. Die Kerle besaßen eine Menge Kraft. Der Kampf sorgte lediglich dafür, dass er das bisschen Luft, das ihm blieb, umso schneller verbrauchte. Zuletzt atmete Langley verzweifelt Wasser ein.
Selbst ein guter Schwimmer kann ertrinken, hieß es später in den Zeitungen. Er starb bei seiner Lieblingsbeschäftigung, wurde seine Mutter zitiert. In Cambridge sollte mit dem Geld, das Langley der Fakultät hinterlassen hatte, eine neue Schwimmhalle entstehen, die seinen Namen trug.
Als sich die Woche dem Ende entgegenneigte, schaute Sheldon Karl in Manhattan aus seinem Bürofenster auf die Wall Street. Von seinem Büro in der 55. Etage des Gebäudes Wall Street Nummer 2 konnte er den Hudson River und den Rest von Lower Manhattan überblicken. Wenn er die Augen nach rechts wandte, konnte er die Stelle sehen, an der früher einmal das World Trade Center gestanden hatte. Karl scheute den Blick in diese Richtung. Karls älterer Bruder, Fitz, war bei den Terroranschlägen vom 11. September ums Leben gekommen. Er hatte für Cantor Fitzgerald gearbeitet, ein Handelsunternehmen mit Sitz im nördlichen WTC 1. Das Flugzeug war genau in das Stockwerk gekracht, in dem Fitz arbeitete.
Noch eine Woche bis Weihnachten. In dieser Zeit musste Karl immer an seinen Bruder denken. Ihre Eltern waren beide an Krebs gestorben, als er und Fitz noch zur Grundschule gingen. Ihr Onkel und ihre Tante in Philadelphia hatten sie danach bei sich aufgenommen. Zehn, elf Jahre hintereinander, bis 2001, hatte Karl Weihnachten stets bei Fitz und dessen Frau Jenny in ihrem weitläufigen, im Kolonialstil errichteten Haus am Meer in Westport, Connecticut, verbracht. Am Tag nach Weihnachten packten sie immer ihre Koffer und fuhren für eine Woche zum Skifahren nach Stowe.
Mittlerweile hatte Jenny wieder geheiratet. Ihr Mann schrieb für die New York Times, ein bärtiger Intellektueller, der anscheinend gern über sich selbst und Politik, aber nichts anderes redete. Zum letzten Mal war Karl ihr vor einem Jahr begegnet, bei einem Essen in der Upper West Side. Damals hatte ihr neuer Ehemann nach reichlich Rotwein die Theorie aufgestellt, man habe die Terroristen, die das Flugzeug ins World Trade Center lenkten, missverstanden. Die einzige Chance, weitere Anschläge wie den vom 11. September zu verhindern, bestehe darin, die Terroristen und ihre Motivation zu verstehen und sie durch Aufklärung dahin zu bringen, »bessere Entscheidungen« zu treffen. Karl war einfach aufgestanden und gegangen. Er hatte nicht viel für Politik übrig, ganz gleich von welcher Seite man sie beleuchtete, aber er erkannte ein Arschloch, wenn es vor ihm saß.
Der Hedgefonds, für den er arbeitete, galt im Vergleich zu den meisten Fonds an der Wall Street als klein. Ein Fonds mit Vermögenswerten von weniger als zehn Milliarden wurde nicht für voll genommen, unter einer Milliarde betrachtet man ihn als Hobby. Aber Karl wusste, dass kein Konkurrent an die Wertentwicklung heranreichte, die Kallivar letzte Woche hingelegt hatte. Mein Gott, dachte er, während er die beiden Computer herunterfuhr. Die Zahlen sind real. Sie werden sich tatsächlich halten.
Innerhalb einer Woche hatten sich ihre Vermögenswerte nahezu verdreifacht. Kallivars 3,2 Milliarden summierten sich nun auf eine Gesamtsumme von über zehn Milliarden. Sein Chef, Alexander Fortuna, hatte ihn heute Nachmittag angerufen, um ihm zu einer guten Woche zu gratulieren. Fortuna kannte er von seiner alten Firma, Sowbridge Capital. Sie hatten dort gemeinsam gearbeitet, bis Fortuna ausstieg, »sich aus dem Geschäftsleben zurückzog«, wie er Karl und den übrigen Anlegern der Firma mitteilte. Als Fortuna sich entschied, sein eigenes Geld in einen neuen Fonds zu investieren, und Karl anwarb, um das Ganze zu leiten, fühlte dieser sich geschmeichelt. Fortuna war, das wusste jeder bei Sowbridge, nicht nur Milliardär, sondern auch einer der besten Anleger.
Innerhalb von drei Jahren hatte Karl bei Kallivar so viel Geld verdient, dass er gar nicht mehr wusste, wohin damit. Anstatt sich oben in Stowe ein Haus zu kaufen, erwarb er von der AIG gleich ganze Straßenzüge des Ferienorts. Ihm gehörte ferner eine ganze Etage des Stanhope-Hotels, die er auch bewohnte, direkt gegenüber vom
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