Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)
Metropolitan Museum of Art. Er sammelte Kunst. Ausgeflippte, modernistische Kunstwerke, darunter die in Glas eingeschlossene Skulptur einer verstümmelten Kuh, die ein Jahr lang in seinem Wohnzimmer stand, bis er sie dem Whitney Museum of American Art schenkte.
Karl wusste, dass der Scheck, der in zwei Wochen fällig wurde, seine bislang höchste Jahresprämie auswies. Wie er so dastand und durchs Fenster die sich verdüsternde Skyline bewunderte – die Stadt, die ihn zunächst so einschüchterte und dann doch in ihren Bann zog; die Stadt, die er nun verstand und erobert hatte –, wurde ihm klar, dass er alles dafür geben würde, seinen Bruder zurückzubekommen, und sei es auch nur für eine Minute. Das Einzige, was den Eindruck, alles erreicht zu haben, schmälerte, war die Tatsache, dass er ihn mit niemandem teilen konnte. Sheldon Karl fühlte sich einsam.
Er schüttelte den Kopf. An Weihnachten kamen ihm immer solche Gedanken. Zeit, einen trinken zu gehen. Ein paar Freunde aus Wharton trafen sich heute Abend in einem Restaurant in der Upper East Side. Anschließend würde er nach Hause gehen, sich ein paar Lines Koks reinziehen und Tina anrufen. Für 5000 Dollar die Nacht nicht unbedingt seine Freundin, aber immer noch billiger als eine Ehefrau. Und bei Weitem die schönste Frau, der er je begegnet war.
Karl rief den Limousinenservice an. Er fuhr mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss, knöpfte seinen Burberry-Mantel zu, trat nach draußen und stieg in den dunklen Lincoln ein.
»Guten Abend, Mister Karl.«
»Hi, Bobby!«
»Direkt nach Hause, Sir?«
»Nein, ich treffe mich noch mit ein paar Leuten zum Dinner. Im Sistinaʼs.«
»In der Second Avenue?«
Karl nickte.
Während der Wagen ruhig über den East River Drive rollte, zog Karl das Wall Street Journal aus dem Fach an der Sitzlehne vor sich und überflog rasch die Schlagzeilen. Ein Artikel fiel ihm ins Auge. Darin wurden die Auswirkungen der Zerstörung des KKB-Wasserkraftwerks in Kanada sowie der Explosion auf Capitana, Anson Energys Riesen-Erdölfund vor der kolumbianischen Küste, analysiert. Das lächelnde, attraktive Gesicht des Vorstandsvorsitzenden Ted Marks starrte ihm von einem Schwarz-Weiß-Porträt direkt oberhalb des Knicks in der Zeitung entgegen. Aus dem Artikel erfuhr Karl, dass Marks um ein Haar bei einem Mordversuch, der offensichtlich mit den Sprengstoffanschlägen in Zusammenhang stand, umgekommen wäre.
Ein merkwürdiges Gefühl breitete sich in ihm aus, als er den Bericht studierte und der Wagen in den nördlichen, vornehmen Teil von Manhattan fuhr. Allein während der vergangenen beiden Tage hatte Kallivar über 400 Millionen Dollar an KKB und Anson Energy verloren. Und nun waren KKB und Anson, wie er erst jetzt begriff, der Auslöser für Kallivars plötzlichen Aufstieg.
Er musste an das Gespräch mit Fortuna zurückdenken. Die gesamte Strategie war auf dessen Mist gewachsen.
Er schluckte, als er sich daran erinnerte, wie Fortuna an jenem letzten Tag bei Sowbridge aus der Tür verschwand. Erst 32 und bereits Milliardär. Das lange, dunkle Haar trug er zurückgekämmt. Es wirkte leicht zerzaust und reichte ihm bis auf die Schultern. Die jungen und alleinstehenden, ja, selbst die verheirateten Frauen in der Firma schmachteten ihm hinterher. Seine gerade Nase und die großen, braunen Augen. Eine Erkenntnis dämmerte in ihm, während die Limousine die Auffahrt zum Franklin D. Roosevelt Highway erklomm. Fortuna war ein Terrorist.
Fortuna ist ein Terrorist.
»Allmächtiger«, flüsterte er.
Der Lincoln wechselte auf die Überholspur und beschleunigte.
»Warum nehmen Sie den FDR-Highway?«, fragte Karl.
»Im Waldorf steigt heute Abend eine Benefizgala mit dem Bürgermeister. In der Innenstadt ist alles dicht.«
Der Wagen fuhr schnell. Schneller als sonst. Irgendwann schwenkte er mit einem Ruck zur Seite, um einen anderen Wagen rechts zu überholen, und scherte gleich anschließend auf die linke Spur zurück. Die Reifen gaben ein leises Kreischen von sich.
»Machen Sie langsam, Bobby«, sagte Karl. »Ich habʼs nicht eilig.«
Doch die Luxuslimousine verlangsamte das Tempo nicht. Sie raste Richtung Norden, während Bobby sich mit immer heftiger quietschenden Reifen durch den Highway-Verkehr schlängelte. Karl versuchte, sich nach vorn zu beugen, doch der Wagen ruckte so abrupt und brutal hin und her, dass es ihm schwerfiel. Er erhaschte einen Blick auf den Tacho: 170 Kilometer pro Stunde.
»Verdammt noch mal, Bobby, machen Sie
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