Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)
Pferden umgehen?«
»Ja.«
Sembler stutzte. Einen Moment lang betrachtete er die Narbe an Deweys Arm.
»Was ist mit deinem Arm passiert?«, wollte er wissen.
Der Fremde erwiderte Semblers Blick und schwieg.
»Wir könnten noch einen Reiter gebrauchen«, meinte Sembler schließlich. »Die beiden hier werden dich einweisen.« Mit dem Daumen wies er auf die Männer, mit denen er gesprochen hatte.
»Vielen Dank.«
»Wie heißt du?«, fragte Sembler. »Woher kommst du?«
Der Fremde zögerte einen Moment, nicht lange, aber lange genug, dass Sembler es merkte. Zwei, drei Sekunden etwa. Schließlich lächelte er, trat auf Sembler zu und streckte die Hand aus.
»Ich bin Amerikaner«, sagte er und schüttelte Sembler die Hand. »Ich heiße Dewey Andreas.«
Tausende von Kilometern entfernt trug die warme Morgenbrise den Duft der Fliedersträucher aus den Gärten neben der blauen Steinterrasse heran. Die saisontypischen Luftströmungen kamen vom Toten Meer – Südwinde, die auf die Tiefebene entlang der libanesischen Küste trafen und sich dann aufteilten, durch Schlucht um Schlucht wehten, um schließlich in die Hügel über Beirut aufzusteigen. Heute verschafften sie dem Mann und der Frau, die in dem Städtchen Broumana auf der Steinterrasse einer riesigen, auf dem Patula-Hügel gelegenen Villa saßen, eine willkommene Abkühlung.
»Sind alle versammelt?«, fragte der hochgewachsene, ältere Herr, dessen Gesicht trotz seiner 73 Jahre immer noch an sein einst legendär gutes Aussehen erinnerte. Den recht langen grauen Haarschopf trug er in der Mitte gescheitelt und elegant nach hinten gekämmt. Er hatte das Hemd ausgezogen, hockte am Pool aus Spritzbeton und ließ die langen gebräunten Beine im kühlen blauen Wasser baumeln.
»Ja, Aswan«, antwortete Candela, die 22-jährige saudische Schönheit, die als Aswan Fortunas persönliche Sekretärin fungierte. Sie schnitt gerade Blumen von einem Rosenstrauch neben dem Swimmingpool. »Sie warten im Haus.«
Einen Augenblick lang musterte Fortuna Candela. Sie lächelte ihn an. Er erwiderte ihr Lächeln nicht. Sie ließ die Schere sinken, ging quer über die Terrasse zu Fortuna und setzte sich neben ihn.
»Manchmal machst du mir Angst, Aswan. Lächle doch bitte einmal für mich. Ich weiß, dass du traurig bist. Aber es gibt so viel, wofür man dankbar sein kann.«
»Ich bin dankbar dafür, dass ich dich habe«, sagte er und legte dem Mädchen die rechte Hand auf die Wange. »Werde ich dich immer haben?«
»Für immer und ewig.«
Candela strich sich das lange, schwarze Haar aus dem Gesicht, warf den Kopf in den Nacken und lächelte Fortuna an.
Er erhob sich und trat an den Rand der Schieferterrasse, ließ seinen Blick über die Hügel von Broumana und das ferne Beirut schweifen. Dunkel glänzte jenseits des Stadtrands das Meer in der Sonne. Er zählte ein halbes Dutzend Männer, die mit Maschinenpistolen im Anschlag rings um sein Landhaus in den Bergen patrouillierten.
»Immer und ewig«, flüsterte er vor sich hin.
Fortuna umrundete den Swimmingpool und ging ins Haus. Vier Männer saßen am Küchentisch. Sie blickten zu ihm auf.
»Der Brief ist eingetroffen«, sagte einer von ihnen und hielt einen braunen Umschlag hoch. »Es ist sehr körnig. Aber es dürfte reichen.«
Fortuna griff nach dem Umschlag, riss ihn auf, steckte die Hand hinein und holte ein Schwarz-Weiß-Foto heraus. Mit geweiteten Augen, hochrot im Gesicht, starrte er es minutenlang an. Lange Zeit sagte er keinen Ton.
»Lass uns auch mal sehen«, bat Nebuchar Fortuna.
Er streckte die Finger nach dem Foto aus, doch als er das tat, holte Aswan aus und schlug ihm mit dem Handrücken ins Gesicht.
»Woher haben wir das?«, wollte Aswan wissen.
»Von einem Mittelsmann«, sagte einer der Anwesenden. »London. Borchardt, der Waffenhändler. Wir mussten ihn mit dem Geistlichen unter Druck setzen.«
»Wie heißt der Kerl?«, bellte Fortuna wütend.
»Das wissen wir nicht«, sagte einer der Männer.
»Es hat uns über vier Millionen Dollar gekostet ...«, hob Nebuchar an.
»Das Geld ist mir egal!«, brüllte Aswan und schnitt seinem Sohn das Wort ab.
Er schleuderte die Fotografie auf den Tisch. Die Aufnahme wirkte unscharf, aber sie zeigte einen Soldaten: einen gut aussehenden jungen Amerikaner in Uniform. In der Rechten hielt er ein M60, dessen Lauf zum Himmel wies. Unter seinen Augen verliefen dicke, schwarze Streifen – Kriegsbemalung. Er hatte eine Adlernase und eine braune Kurzhaarfrisur. Sein
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