Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)
für ein Wasserkraftwerk in der Labradorsee an. Marks recherchierte dazu, flog sogar selbst insgesamt viermal gemeinsam mit White ins ferne Kanada und machte sich schließlich für den Plan stark. Das Ergebnis: das Savage-Island-Projekt, inzwischen der wichtigste Aktivposten in der Gruppe der KKB-Kraftwerke.
Damals hatte Marks sich gegen den Vorstandsvorsitzenden gestellt, einen mürrischen alten Kerl namens Emmet Winkler, der den Plan ablehnte. In den Annalen der KKB-Firmengeschichte hatten sich die Entwicklung des Savage-Island-Projekts und das böse Blut zwischen den beiden zu einer Legende entwickelt.
Bei einer Sitzung des Aufsichtsrats deutete ein Mitglied des Gremiums, Boone Pickens, auf einen bestimmten Rechnungsposten in der Quartalsbilanz des Unternehmens. Er verlangte eine Erklärung, weshalb man bei KKB über 80 Millionen Dollar für ein Stück Land im Norden Kanadas investierte. Winkler zeigte sich von dieser Kostenstelle völlig überrascht. Peinlich berührt von der Erkenntnis, dass er im Vorfeld der Sitzung seinen eigenen Abschluss nicht überprüft hatte, wandte er sich an seinen damaligen Finanzvorstand. Dieser teilte den Anwesenden mit, das Geld sei verwendet worden, um »ein großes Stück verödeter Tundra in einer Nunavut genannten Region im Norden Kanadas zu erwerben.«
Winkler erhob sich und ging quer durch den Saal auf Marks zu.
»Ich habe Ihnen doch schon vor sechs Monaten gesagt, Sie sollen diese Sache mit dem verdammten Staudamm bleiben lassen!«, brüllte er ihn vor der gesamten Führungsebene an.
»Hm, nun, so langsam wird es interessant«, unterbrach Pickens. »Würden Sie uns das bitte erklären, Teddy?«
Das war genau die Gelegenheit, auf die Marks gewartet hatte. Ohne auch nur im Geringsten auf seinen Chef einzugehen, stand er auf und hielt aus dem Stegreif einen 45-minütigen Vortrag über das Savage-Island-Projekt. Kosten, Zeitplan, Rentabilitätsrechnung. Alles, was mit dem Projekt zu tun hatte.
»Möchten Sie, dass KKB zum größten Energieunternehmen Amerikas wird?«, schloss er seine Präsentation. »Oder geben Sie sich damit zufrieden, aufs Abstellgleis der Branche zu geraten? Ich tu es jedenfalls nicht, das kann ich Ihnen versichern! Es gibt ein halbes Dutzend Firmen, die für das Land und die Rechte an diesem Projekt die zehnfache Summe gezahlt hätten.«
Nach Marks Rede herrschte Stille im Sitzungssaal.
Nach einigen Momenten spannungsgeladenen Schweigens ergriff schließlich Pickens das Wort. »Meine Stimme haben Sie, Teddy.«
Am Ende der Sitzung gab es grünes Licht für das 12,5-Milliarden-Projekt, und Emmet Winkler wurde der Rücktritt nahegelegt.
Jetzt, zwei Jahrzehnte später, hatte Marks den Posten als CEO übernommen und KKB galt als zweitgrößtes Energieunternehmen in Amerika. Marksʼ Prognosen hatten sich bestätigt.
Aber KKB war verwundbar. Das Savage-Island-Projekt sicherte dem Konzern beherrschende Marktanteile auf den Strommärkten in ganz Kanada und entlang der Ostküste der Vereinigten Staaten. Die 13 Atomkraftwerke des Unternehmens lieferten den überwiegenden Teil der Energie für den sich entwickelnden Südwesten. Es war Hauptlieferant für Erdgas und Kohle auf dem gesamten Kontinent.
Die Versuche von KKB, eine natürlich gewachsene Erdölversorgung zu entwickeln, hatten sich dagegen als Fehlschläge entpuppt. Zwei Projekte in Kasachstan erwiesen sich als Katastrophe und schrieben jeweils über eine Milliarde Dollar Verlust. Bis auf ein paar Erdgasreste zeigten sich die Vorkommen als erschöpft. Die Kosten, das Gas auf den Markt zu bringen, überstiegen die zu erwartenden Einnahmen.
Darüber hinaus beharrte Marks auch noch darauf, dass die KKB nicht einen Tropfen Öl aus dem Nahen Osten einkaufte.
Marks galt als ausgesprochener Patriot. Öl aus Nahost scheute er ebenso wie der Teufel das Weihwasser. Als gewisse Vorstandsmitglieder ihn dazu drängten, seine Haltung zu überdenken und seine politischen Überzeugungen aus der Vorstandsarbeit herauszuhalten, drohte er mit seinem Rücktritt. Aus diesem Grunde war die KKB abhängig vom Strommarkt, und dies wiederum machte das Unternehmen anfällig für eine Übernahme durch einen der Erdölriesen, insbesondere BP oder ExxonMobil.
Infolgedessen hatte Anson Energy Marksʼ Interesse geweckt. Als fünftgrößtes Unternehmen des Landes spielte Anson zwar nur eine untergeordnete Rolle auf dem US-Energiesektor. Dafür war Anson Energy jedoch auf Öl gestoßen – und zwar auf Unmengen davon. Der Fund
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