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Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)

Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)

Titel: Power Down - Zielscheibe USA (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Coes
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von einem einmonatigen Marsch durch den Okefenokee-Sumpf im Süden Georgias zurückgekehrt waren. Sie hatten dort ein Dschungel-Überlebenstraining absolviert, allein im Sumpf ausgesetzt mit nichts weiter als einem Stück Schnur und einem Messer. Man erwartete von ihnen, dass sie durchkamen, in einer Gegend, in der es von giftigen Wasserschlangen nur so wimmelte. Und genauso hatte Dewey sich durchgeschlagen – indem er Wasserschlangen aß und in Astgabeln schlief.
    Als er endlich nach Hause kam und seine Haustür öffnete, sah er Holly im Wohnzimmer auf dem Boden liegen. Eine Kugel hatte ihr den Schädel weggepustet, neben ihr lag seine Dienstpistole der Marke Colt. Er erinnerte sich noch an das schwarze Hockey-Tape, das er um den Kolben der alten Waffe gewickelt hatte. Ringsherum hatte sich eine Blutlache gebildet. Überall Blut. Hollys blaue Augen starrten zu ihm herauf.
    Es hieß, es sei hart, die Frau eines Soldaten zu sein. Aber es gab keinen Spruch dafür, was es bedeutete, mit einem Delta verheiratet zu sein.
    Nach Robbies Tod hatte sich Holly verändert. Natürlich hatte sie das. Auch Dewey war nicht mehr derselbe. Wie sollte man mit dem Tod eines Sechsjährigen umgehen? In derselben Woche, als sie die Diagnose bekamen, erhielt Dewey die Aufforderung, sich als Delta zu bewerben. Er hatte versucht, es Holly zu erklären. Argumentiert, dass sie die Krankenversicherung brauchten, das zusätzliche Geld. Sollte er wirklich einfach den Dienst quittieren? Doch sie wusste ebenso gut wie er, dass es ihm nicht um die Versicherung oder das Einkommen ging. Die Ausbildung bei der Delta Force bot Dewey ein Ventil für seine Wut, für die Verbitterung, mit anzusehen, wie sein einziges Kind immer kränker wurde und dahinsiechte.
    Aber als er wegging, um mit dem Delta-Training anzufangen, blieb Holly allein zurück. Sie hatte gar nichts mehr, nicht einmal ihren Mann. Am Ende, als Robbie nur noch wenige Monate zu leben hatte, gewährte Deweys befehlshabender Offizier ihm Sonderurlaub aus familiären Gründen – allerdings erst nachdem er damit gedroht hatte, alles hinzuschmeißen. Jene letzten Tage stand er gemeinsam mit Holly durch und bekam hautnah mit, wie Robbie starb. Nach Robbies Tod ging zunächst die Wut mit Holly durch, gefolgt von Trauer und einer Depression, die sich von Tag zu Tag verschlimmerte. Zuletzt kam das Schweigen.
    Erst viel später wurde Dewey klar, dass er das Ausmaß von Hollys Verzweiflung überhaupt nicht begriffen hatte. Selbst jetzt konnte er sich kaum vorstellen, was es für sie bedeutet haben musste, ihren unendlichen Kummer allein zu ertragen.
    Das war ihre letzte Botschaft an ihn gewesen: Selbstmord, noch dazu mit seiner Dienstwaffe. Er verstand, was sie ihm damit sagen wollte, und konnte es nachfühlen. Sie hatte nie vorgehabt, es so hinzustellen, als habe er sie umgebracht, wie Polizei und Staatsanwaltschaft behaupteten. Ihre Botschaft lautete: »Sieh dir an, wozu du mich getrieben hast, du mit deiner kostbaren Pflichterfüllung. Sieh dir an, was ich allein durchstehen musste, damit du Soldat sein kannst.« Deshalb seine alte Dienstpistole. Es war eine intime, verzweifelte Geste und keineswegs der Versuch, jemandem weiszumachen, Dewey hätte seine Frau umzubringen können.
    Hollys Familie stellte sich voll und ganz auf die Seite der Anklage. Sie erzählten dem Staatsanwalt, dass Dewey trank, hin und wieder sein Temperament mit ihm durchging und er einen Hang zur Gewalt besaß. Sie wollten es einfach nicht wahrhaben, dass ihr einziges Kind Selbstmord begangen hatte.
    Nur zu gerne hatte der Staatsanwalt ihnen zugehört, sah sich bereits mit Ruhm überschüttet, weil er zu einer Zeit, in der das Militär kein allzu hohes Ansehen genoss, einen Soldaten vor Gericht zerrte, dem sein Temperament durchgegangen war. Eine Woche später wurde Dewey verhaftet.
    Lange vor der Eröffnung des Verfahrens verurteilte der Staatsanwalt ihn bereits öffentlich in der Lokalzeitung und in den regionalen Fernsehsendern. All das machte Dewey nichts aus. Doch dass sein Kommandeur bei den Deltas ihn im Stich ließ, würde er nie vergessen. Das US-Militär, dem er sein ganzes Leben gewidmet hatte, ließ ihn fallen. Sie weigerten sich, ihm beizustehen. Nach so vielen Dienstjahren, in denen er sein Leben für sein Vaterland und für die Streitkräfte riskiert hatte, warfen sie ihn den Wölfen zum Fraß vor.
    Dennoch befand ihn die Jury für unschuldig. Dazu brauchten sie bloß eine halbe Stunde. Dewey verließ das

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