PR 2620 – Fremde in der Harmonie
unglaublich es klingt, aber diese Jugendlichen trugen einen Escaran, ich bin sicher, dass ich mich nicht getäuscht ...«
»Ich weiß«, unterbrach er mich. »Wie gesagt, du bist nicht der Erste, der mir einen solchen Bericht liefert. An diesen Stellen ist etwas Vergleichbares geschehen.«
Im nächsten Augenblick blinkte es auf dem Stadtplan, zuerst am Flussufer im Stadtzentrum, dann am Raumhafen, schließlich am südlichen Randgebiet und ganz in der Nähe meiner Wohnung und ... und ... und ...
Der Anblick traf mich wie ein körperlicher Schlag, nein, schlimmer noch.
»Sechzehn Vorfälle«, erklärte Jezzel. »Sechzehnmal erhielt der jeweilige Unharmonische Hilfe. Immer mehr Jyrescao können sich der Festnahme deshalb entziehen. Diese Informationen liegen mir seit geraumer Zeit vor, aber ich hielt sie unter Verschluss. Ein wenig ist natürlich nach außen gedrungen, auch du hast schon davon gehört.«
»Teilweise.« Meine Stimme klang belegt und rau. Ich sehnte mich nach Wasser, vielleicht sogar einem Schlammbad. Meine Haut fühlte sich plötzlich entsetzlich ausgetrocknet an. Es musste der Schreck über diese Neuigkeiten sein. »Dass es diese Ausmaße angenommen hat, ahnte ich allerdings nicht.«
»Das wusste niemand außer mir. Du hast in der Harmonieschule gute Arbeit geleistet, Uyari. Du hast den Fremden fast gefangen. Dass der von dir festgesetzte Helfer entkommen konnte, liegt nicht in deiner Verantwortung. Er erhielt ebenfalls Hilfe von außerhalb. Meine Leute hätten damit rechnen müssen.«
»Waren deshalb die Soldaten hier? Verstärkst du die militärische Präsenz?«
Jezzel bestätigte, mehr noch. Sein ausgestreckter Finger wies auf mich. »Ich habe den Befehl dazu gegeben, ja. Verantwortlich übernehmen und leiten wird diesen ganzen Bereich jemand anders. Einer meiner besten Leute, der vor Ort tätig werden wird.«
Ich fühlte mich wie vor den Kopf geschlagen, und plötzlich stieg wieder jenes Wort in meinen Gedanken auf: auserwählt. Die Überraschungen an diesem Tag waren noch lange nicht zu Ende, wie es schien.
Neben mir wallte immateriell und für jeden außer mir unsichtbar die Herlakschwinge.
»Ich?«, entfuhr es mir. Nicht gerade die intelligenteste Bemerkung, die angesichts dieser Situation möglich wäre.
»Du bist hier, damit wir die Details besprechen können.«
Das war alles, was der Hohe Harmoniewächter dazu zu sagen hatte; es gab keine Frage, ob ich dieser Ausweitung meines Aufgabenbereichs überhaupt zustimmte, ob ich mir vorstellen könnte, in diesem Sinn tätig zu werden.
So war er, Jezzel, der wichtigste Mann der Harmonie auf diesem Planeten.
Und mir blieb nichts anderes übrig, als zuzustimmen. An den Details jedoch wollte ich sehr wohl feilen – und feilschen. Denn ich ahnte bereits, dass es mein Leben, meine Aufgaben, meine Kompetenzen und meine Verantwortung erweitern und auf den Kopf stellen würde.
Nichts würde mehr so sein wie zuvor.
*
Wir sprachen seit gefühlten Stunden, und Jezzel ignorierte immer wieder als dringend markierte Nachrichten, die in der Zwischenzeit hereinkamen. Ich konnte mich nicht erinnern, mit dem Hohen Harmoniewächter jemals so intensiv zusammengearbeitet und ihn so gut verstanden zu haben.
Zu meiner allergrößten Überraschung war kurz nach Beginn unseres Gespräches ein Dienstroboter in den Raum geschwebt und hatte einen zweiten Kontursessel vor mir abgestellt. Natürlich ohne Podest, sodass Jezzel auf mich herabsah, doch das störte mich nicht. Dass mir so viel Höflichkeit erwiesen wurde, war erstaunlich genug.
»Die Lage im Reich der Harmonie ist angespannt«, sagte mein Vorgesetzter gerade. »Die Gerüchte einer bevorstehenden Invasion verdichten sich. Es gibt sie zwar schon, solange ich denken kann, aber nie zuvor haben so viele Details die allgemeinen Befürchtungen gestützt.«
Nach diesen bestürzenden Worten kehrte einige Sekunden lang Ruhe ein.
Ich brach die Stille, indem ich versuchte, ein Fazit aus dem bisherigen Gespräch und all den genannten Fakten zu ziehen. »Es gibt ein klares Muster hinter all den Vorfällen. Jemand lässt gezielt Unharmonische verschwinden, bevor wir Harmoniewächter sie ausfindig machen können.«
Nach einer kurzen Pause ergänzte ich: »Es stellt sich nun die Frage, ob die verschwundenen Jyrescao von unseren Feinden rekrutiert werden, um beim Angriff auf Escalian zu helfen.«
Falls es einen solchen Angriff tatsächlich geben wird – Beweise fehlen, wenn auch vieles dafür
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