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PR 2629 – Die Weltengeißel

PR 2629 – Die Weltengeißel

Titel: PR 2629 – Die Weltengeißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Montillon
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nichts. Die kollektiven Gedanken schwiegen.
    Dafür gab es nur eine Erklärung. Es lebte keiner mehr, der denken konnte.
     
    *
     
    Rund um den Hinrichtungsplatz regte sich nichts außer den Fliegenschwärmen, die über den Leichnamen schwirrten, und den großen Käferfressern, die auf ihnen umherkrochen.
    Szimon flog hoch genug, um keine Details sehen zu müssen. Doch so entsetzlich es war, eine Frage blieb bestehen: Wo waren die anderen? Dort unten mochten fünfzig Tote liegen, vielleicht hundert, aber keinesfalls die gesamte Einwohnerschaft der Wabenstadt.
    Er lauschte gedanklich ins Kollektiv und auf normale Weise über die Ebene. Alles blieb still, nichts deutete auf die Anwesenheit eines Cruny hin.
    Ohne einen Plan flog Szimon zum Einstieg in seine Wohnwabe, ließ sich hineinfallen und kroch den Gang hinab. In der Wabe war es ruhig, kühl und dunkel, genau wie immer. Sogar etwas Feuchtigkeit rann über die Wände, obwohl die Berieselung nicht mehr funktionierte, weil niemand das Röhrensystem bediente.
    Letzte Reste, dachte er, das sind die letzten Reste des Lebens, wie es einst gewesen ist und wie es nie mehr wiederkommen wird.
    Ein Schaben lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich, gefolgt von einem leisen Fauchen. Szimon schob sich bis in die hinterste Ecke der Wohnwabe weiter, auf seinen Schlafplatz. Tatsächlich, in der Mulde dahinter lag Ssah, seine K'culy-Katze, und schaute ihn aus großen Augen an. Das wenige Licht, das durch den Einstieg hereinfiel, glänzte in den schlitzförmigen Pupillen.
    Mit den oberen Armen packte Szimon zu und zog Ssah an sich. Die ledrige Haut rieb an seinem Chitinpanzer. Die beiden Antennenfühler der K'culy-Katze schmiegten sich an seinen Kopfansatz.
    Die Berührung bildete den ersten Trost, den der junge Cruny seit einer gefühlten Ewigkeit empfand.
    »Guter Ssah.« Es tat gut, den Klang seiner Stimme zu hören. Es gab ihm die Illusion, nicht länger allein zu sein, mehr bei sich zu haben als nur ein Tier. »Du hast hier auf mich gewartet.«
    Dann erst sah er, in welchem Zustand sich die Mulde befand. Ssah hatte Boden und Wände zerfetzt und seine Krallen tief hineingegraben. Fast als hätte er hier um sein Leben gekämpft. Oder als habe auch Ssah die unverständliche Panik und Aggression gespürt, die in der Luft lag, und gegen einen unsichtbaren Gegner gefochten.
    Szimon hielt die K'culy-Katze eng bei sich und verließ seine Wohnwabe. Dort hatte er nichts mehr verloren. Er musste die Überlebenden seines Kollektivs finden.
    Draußen herrschte sengende Hitze, und die Trockenheit der Luft erschlug ihn fast. Vorher war ihm gar nicht aufgefallen, wie heiß die Sonne brannte. Erst der Flug über das Meer, durch das Gewitter, danach seine chaotische Gefühlswelt; all das hatte ihn zu sehr abgelenkt.
    Er kraulte die Lederhaut in Ssahs Nacken. Die Fühler wiegten sich wohlig hin und her. Nachdenklich lehnte sich Szimon gegen eine der Bewässerungsröhren. Nur noch wenig Wasser stand darin in Unebenheiten und Vertiefungen. Man musste das System dringend vom Brunnen her neu auffüllen, damit ...
    Wütend riss er sich selbst aus den unsinnigen Gedanken. Es war gleichgültig, ob die Röhren und danach alle Wohnwaben austrockneten! Sein Bewusstsein versuchte sich auf diese Weise nur von der grauenhaften Realität abzulenken; von der Gewissheit, dass er völlig allein und auf sich gestellt war.
    Sein mittleres Beinpaar umklammerte die K'culy-Katze wie einen Rettungsanker. »Du wirst mit mir auf die Suche gehen«, sagte er. »Gemeinsam werden wir die anderen finden.«
    Ssah legte den Kopf in den Nacken, schaute ihn aus großen, glänzenden Augen an. Als würde die Katze jedes Wort genau verstehen. Beiläufig fragte sich Szimon, ob Ssah tatsächlich intelligent war. Der Gedanke tröstete ihn. Nicht nur ein Tier ... ich habe vielleicht nicht nur ein Tier bei mir, sondern einen echten Gefährten ...
    Er fühlte sich allein und entsetzlich einsam. Ein Cruny war nicht dafür geschaffen, lange Zeit ohne das Kollektiv zu überleben. Wie hatte er nur etwas anderes glauben können? Wer hatte ihm diesen unsinnigen Gedanken zuerst in den Kopf gesetzt?
    »Wo sollen wir nur mit der Suche anfangen?«, fragte er.
    Ssah öffnete den Mund, zog die ledrigen Lefzen zurück. Die Schnurrhaare zitterten, und der Oberkiefer schob sich leicht vor, sodass die scharfen Zähne weiter herausragten. Die Katze fauchte, riss eines ihrer Beine aus Szimons Umklammerung und hieb damit in die Luft.
    Als ob Ssah mir

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