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PR 2642 – Der Maskenschöpfer

PR 2642 – Der Maskenschöpfer

Titel: PR 2642 – Der Maskenschöpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Teil ihrer eigenen Befürchtungen. Die Auswirkungen waren bemerkenswert: Die Escalianer schotteten sich gegen alle möglichen Einflüsse von außen ab – und rückten im Inneren des Reiches näher zusammen.
    Die Masken wurden zum Erkennungszeichen und Merkmal dieser sich neu entwickelnden Kultur. Wer eine trug, deklarierte sich als überzeugter Anhänger des Reichs der Harmonie. Wer sie verweigerte, wer einen Escaran verweigerte oder von ihm abgestoßen wurde, galt als Außenseiter. Als Feind des Systems.
    Mit immer mehr Unbehagen verfolgte Fartokal die Entwicklung. Schon das Wort Unharmonische bereitete ihm Schmerz. Umso mehr, als die Unharmonischen wie Schwerverbrecher behandelt wurden.
    War er der Einzige, der bei klarem Verstand blieb und sah, dass TANEDRAR in eine falsche Richtung steuerte?
     
    *
     
    Wie lange hatte Fartokal warten müssen, bis er wieder einen Körper zugeteilt bekam? Das Jahr 1C1-C41-F000 Adoc-Lian brach an, das Jahr 62 nach Christus, als er in den Körper eines Lirbal rutschen durfte.
    In eine junge Frau, die sich als Mann fühlte, Schauspielerin war und den Künstlernamen Orson Tafalla angenommen hatte. Es war eine höchst komplizierte Konstellation, die zu einiger Verwirrung führte. War Fartokal nun Männlein oder Weiblein, wie sollte er sich verhalten, wie ging er mit dem Sexus und den libidinösen Bedürfnissen seines Gastkörpers um?
    Es dauerte einige Zeit, bis Fartokal sich in seiner Rolle zurechtfand und zu einem Arrangement mit Orson Tafalla kam, der ihn zwar wahrnahm, ihn aber in den Bereich einer Wahnvorstellung schob.
    Ab und zu, wenn es Fartokal notwendig erschien, übernahm er das Kommando über den geteilten Körper. Doch meist ließ er seinen Wirt in Ruhe, um ihm Raum für die Entwicklung einer Persönlichkeit zu geben.
    Der Schauspieler spezialisierte sich mit zunehmendem Alter auf das Mahnende Schauspiel . Das Stück hatte sich längst als Klassiker im Einflussbereich lirbalscher Kultur etabliert; auf welche Art es Eingang in den literarischen Fundus körpergebundener Lebewesen gefunden hatte, blieb unbekannt. Womöglich war es als Resterinnerung an jenes Ritual der Ankunft kleben geblieben, bei dem TAFALLA von seinen negativen Bestandteilen gereinigt worden war. Vielleicht war es auch mit den Mentalsplittern in das kollektive Gedächtnis aller Bewohner des Reichs der Harmonie übergegangen ...
    Es spielte keine Rolle, und es scherte Fartokal auch nicht, dass die Wahrheit des Zusammentreffens der Superintelligenz mit dem Boten der Hohen Mächte völlig entstellt wiedergegeben wurde.
    Fartokals Ehrgeiz lag darin, Orson Tafalla zum bedeutendsten Schauspieler seiner Generation zu machen. Um ihn zu nutzen. Um seine eigenen Gedanken zu der Fehlentwicklung bei der Maskenschöpfung unters Volk zu bringen.
    Fartokal beging einen Tabubruch: Er gab Masken in Auftrag, die zwar das Gesicht Orson Tafallas verdeckten – es aber gleichzeitig auf groteske Art und Weise nachzeichneten. Sie zeigten das Antlitz des Schauspielers mit verzerrter Mimik, die Sinnesorgane ins Aberwitzige vergrößert – und dennoch als jener erkennbar, der er unter der Maske war. Und er wagte es auch, sein Vorhaben und seine Intentionen öffentlich bekannt zu geben.
    Er wollte Skandale bewirken. Er wollte die Zuseher aufrütteln und sie animieren, sich ihrem eigenen Ego zu stellen und der Allgemeinheit nicht nur etwas mithilfe einer Maske vorzuspielen.
    Doch er bewirkte das Gegenteil. Er wurde missverstanden. Das Mahnende Schauspiel feierte großartige Erfolge. Die Kritiker überschlugen sich in ihrer Begeisterung. Sie sprachen von »monumentaler Schauspielkunst, bei der uns Spiegel vor die Masken gehalten werden« und von »revolutionären Maskentechniken, die in frecher, anachronistisch anmutender Offenheit die wahre Mimik zeigen«.
    Niemand ging auf seine eigentlichen Ideen ein, und selbst als er sich am Ende einer Vorstellung die Maske vom Gesicht riss, vermehrte er bloß seinen Ruhm als »wagemutigster Darsteller seiner Generation«.
    Die Bewohner des Reichs der Harmonie würden sich, so schien es, für alle Zeiten hinter ihren Masken verstecken.
    Fartokal resignierte. Er zog sich tief in den Geist Orson Tafallas zurück und wartete darauf, von TANEDRAR zurückgeholt zu werden.

8.
     
    Er begleitete ARDEN auf einer Kundschafterreise. Es war immer wieder ein besonderes Erlebnis, in ihr zu treiben und ihre Sicht der Dinge zu fühlen. Sie hatte eine eigene Perspektive und legte auf Details wert, die den

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