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PR 2645 – Die Stadt ohne Geheimnisse

Titel: PR 2645 – Die Stadt ohne Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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Rüstung fiel von ihr ab. Er warf einen Blick auf die bloß von junger Silberkruste bedeckten Reproduktionsgruben des Frauenzimmers. Ihre Atemschlitze waren von der Anstrengung des Tanzes gedehnt, dünne Fäden von Abatemschleim hingen herab, ein sämiger Tropfen am Ende des Fadens. Aber ihm war alle Lust vergangen.
    »Ich habe dein Pathos immer gehasst, Kommandant«, erklärte er.
    »Ich weiß«, sagte der Kommandant. »Und ich habe deine Selbstherrlichkeit gehasst, dein offenkundiges Ungenügen an den Aufgaben der Flotte. Deine künstlerischen Allüren.«
    »Und jetzt kommst du zu mir. Ausgerechnet. Warum?«
    Vaychar Vatruichon raffte seine Sternenschärpe und tat erstaunt. »Wem sollen wir trauen, wenn nicht dem, den wir hassen?«
    »Aus welcher Kriegsgewalt wirst du die Mentronik entnehmen?«
    »Das geht dich nichts an.« Er zögerte. »Aus einer Kriegsgewalt, die fast restlos zerstört worden ist, die wir längst als Verlust gemeldet haben. Wir konnten keinen lebenden Chaom aus dem Wrack bergen, nicht einmal die Gehirne waren brauchbar.«
    »Aber die Mentronik hat überlebt.«
    »Überlebt«, wiederholte der Kommandant, als ob er etwas ganz anderes meinte. »Ja. Das ist das richtige Wort.«
    »Wie bringst du die Mentronik hierher?«
    »Gar nicht«, sagte Vatruichon. »Sie würde den Sicherheitskontrollen nicht entgehen. Stattdessen werden wir beide, du und ich, auf einen etwas abgelegenen Planeten reisen: Holpoghas.«
    »Oh«, machte Bucphol.
    Auchool begleitete den Kommandanten hinaus. Der Domestik wusste, dass er diesen Tag nicht überleben würde. Zeugen solcher Gespräche überlebten diese nicht allzu lange.
    Aber er wusste, dass Bucphol ihn wohl verwahren würde.
    Bevor Vatruichon in den Shuttle glitt, der ihn zurück in den Orbit und zur HAOCHTACHEN CHURTA IX tragen sollte, warf er einen Blick auf das Kommerzialwappen seines ehemaligen Ersten Offiziers, der in das Privatleben desertiert war. Er las die Worte:
    »ALLDAR & IMMERFORT. Gedächtnisskulpturen & Totenhirne aus der Manufaktur des Wohlverwahrers und Thanatotekten Bucphol.«

Wenn sich die Zeiten wenden
     
    »Es sieht so privat aus«, sagte Routh. »Wenn dieser Flotten- oder Was-auch-immer-Kommandeur ein Mensch wäre, man würde ihn ein wenig eitel nennen. Nicht übermäßig vielleicht. Vielleicht aber ...«
    »Lebenslüstern«, half Cranstoun aus.
    Routh fand das Wort amüsant. »Lebenslüstern? Das klingt so unzulässig. Wollte er nicht einfach überleben?«
    Einen Moment herrschte Schweigen. Dann fragte Cranstoun: »Wollten wir das nicht alle einmal?«
    »Sicher«, sagte Routh. »Und weiter?«
    »Das Gehirn des Kommandanten wurde in die Mentronik eingepflanzt, später auch das Gehirn des Wohlverwahrers. Dann andere Gehirne, ein wachsendes neuronales Sediment. Wir überspringen eine Weile. Ein paar tausend Gehirne. Eine kleine Ewigkeit Leben. Das Gehirn, an dessen Erinnerungen wir gleich teilhaben werden, gehört einem Chaom namens Paucht.«
    »Ein wichtiger Mann?«
    »Oh ja«, sagte Cranstoun. »Ein Mann an einer neuen Zeitenwende.«
     
    *
     
    So geht es also zu Ende, dachte Kuluell Paucht. Mit einem fast lautlosen Gespräch, ohne Wehr und Widerstand.
    Er stand vor dem Fernenfenster im Palais der Gemeinsamen Zielsetzung. Sämtliche Ministerien waren hochrangig vertreten; die meisten Minister planschten träge in den Gäste-Pfuhlen.
    Der Nuntius des Somdoranischen Imperiums hielt sich an seinem Kontaktpult fest. Paucht konzentrierte alle Sehkraft auf ihn. Er bemerkte, dass der Somdoraner seine Festtagsprothesen trug, rubinrote Klauen, unter deren Griff sich die Bügel des Kontaktpultes verbogen. Er hatte den Höflichkeitsschleier zur Seite gezogen; das leicht nach innen gebogene Oval seiner Sinnesfläche lag offen und unverhüllt. Dennoch war dem Somdoraner nicht anzumerken, was er in diesen Augenblicken empfand: Triumph? Genugtuung? Durchsichtige Gleichgültigkeit?
    Paucht gab noch immer keine Antwort und wandte sich wieder dem Fernenfenster zu. Er hatte das intelligente Glas auf die CHURTA-Flotte ausgerichtet, die sich im nahen Orbit des Planeten zu einem Mosaik formiert hatte – zu einem Angriffsmosaik merkwürdigerweise, obwohl die CHURTA-Flotte schon seit ewigen Zeiten in keinen Krieg mehr gezogen war.
    Deswegen plagte Kommandant Muchenne Bautoch die Langeweile. Paucht konnte es ihm nicht verdenken.
    Wenn er den Saal für sich hatte, stellte er das Fernenfenster der Frau By zuliebe auf Batbach am Rand des Sonnensystems ein. Zwei Ringe

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