PR 2649 – Die Baumeister der BASIS
müssen weiterziehen. Dieser Platz ist nicht länger sicher.«
Ich bemerke den Mief nach Abgestandenem – und den Geruch nach Fäkalien. Die Sanitäranlagen funktionieren wohl nicht mehr.
»Ein paar Stunden noch«, sage ich schläfrig. »Mir geht's bald wieder besser, und dann ...«
»Du wirst jetzt aufstehen, Tino!«
Sie befiehlt mir? Mir? Weiß sie denn nicht, wen sie vor sich hat?
Oh doch. Marie-Louise weiß es. Aber sie hat keinen Respekt mehr von mir. Ich fühle etwas Merkwürdiges. Eine Art Schuldbewusstsein. Sie hat sich um mich gekümmert, obwohl sie erfahren hat, wie ich ticke und was für Dinge ich getan habe. Sie hat sich mein Flehen und mein Winseln angehört, hat meine eingenässte Kleidung gewechselt.
Warum?
Ich antworte mir selbst: Weil sie eine Gegenleistung erwartet. Weil sie hofft, ich würde meine ganz besonderen Qualitäten in die Gruppe einbringen und nicht länger schweigend hinterhertrotten.
Marie-Louise zieht mich am Arm hoch. Ich gebe meinen Widerstand auf und lasse mich von ihr auf die Beine stellen.
Mein Körper ist abgemagert. Das Stehen bereitet mir Kopfschmerzen, und schon nach wenigen Sekunden lasse ich mich wieder aufs Bett plumpsen.
»Du wirst allein zurechtkommen müssen«, sagt die Frau und fügt kalt hinzu: »Wir brechen in fünf Stunden auf. Wenn du es bis dahin nicht schaffst, auf den Beinen zu bleiben, lassen wir dich zurück. So einfach ist das.«
Marie-Louise lügt. Ich weiß es. Andernfalls hätte sie sich niemals derart viel Mühe mit mir gegeben.
Oder?
*
Es geht. Es muss gehen! Ich schleppe mich dahin, als Letzter der kleinen Gruppe, die eines ihrer Mitglieder verloren hat. Offendraka, einen der Chaldur-Zwillinge, hat es im Zuge eines Gefechts erwischt. Sein Bruder Manupil trottet seitdem unbeteiligt nebenher. Die beiden Scharlachroten, die Mädchen namens Elachir und Sareph, kümmern sich, so gut es geht, um ihn. Doch er bleibt schweigsam und unberührbar.
Ich weiß, dass sich zwischen den vier jungen Mitgliedern der Gruppe zarte Liebesbande entwickelt haben. Sie sind Resultat der Umstände. An Bord der BASIS, wie sie früher einmal ausgesehen hat, hätten sie einander nicht einmal beachtet.
Trasur Sargon lässt sich zu mir zurückfallen, Marie-Louise übernimmt die Führung des kleinen Zugs. Sie scheint ganz genau zu wissen, wohin der Weg geht.
»Du bist ein kleines, widerliches Stück Dreck«, richtet der Ertruser erstmals seit einem Monat oder mehr das Wort an mich. »Ich werde dich persönlich zur Rechenschaft ziehen für das, was du getan hast.«
Er ballt die Hände zu Fäusten. Es knirscht laut. Ich betrachte diese beiden menschenkopfgroßen Dinger, die mich mit einem einzigen Hieb zu Brei klopfen könnten.
»Allerdings ...«
»Ja?« Das ist, was ich hören wollte!
»Hilf uns zu überleben. Bring deine ... Künste ein. Sorg dafür, dass kein weiteres Mitglied unserer Gruppe verloren geht oder stirbt. Dann vergesse ich einige Dinge, die du im Halbschlaf erzählt hast, und verzichte darauf, nach dem Rest zu fragen.«
»Dir ist bewusst, dass die Chance, von hier zu entkommen, gegen null geht?«
»Wir hatten diese Diskussion bereits einmal.« Er streckt seinen Körper durch und stößt fast an die Decke des niedrig gebauten Ganges. »Solange es Hoffnung gibt, solange wir am Leben sind, glaube ich an Rettung.«
Ich denke nach. Seltsam. Meine Perspektive hat sich nach meinem Wiedererwachen verschoben. Ich schätze die Beweggründe meiner Gefährten nun anders ein. Ich empfinde sogar so etwas wie Achtung vor diesem Soldaten. Achtung, wo früher einmal Ver achtung war.
»Einverstanden. Aber du musst dir darüber im Klaren sein, dass ich derzeit nur eingeschränkt einsatzfähig bin.« Ich deute auf meine Hüfte. Die Zickzacknarbe unter der verschlissenen Hose, die ich trage, hebt sich deutlich von meiner hellen, fast weißen Haut ab, und man wird das Fleisch irgendwann nochmals öffnen müssen, um stecken gebliebene Splitter hervorzuholen. Sie behindern mich bei jedem Schritt. Sie stechen, bereiten ungewohnte Schmerzen.
»Es reicht, wenn du so bist, wie du bist. Gemein, hinterhältig und kompromisslos.«
»Das kann ich gern versprechen.« Ich grinse, ohne einen Grund dafür zu haben. Denn ich habe kein Sogo-Kraut mehr, das mir Angst und Respekt genommen und mein Gewissen unter Kontrolle gehalten hat.
»Dann ist es gut.« Trasur Sargon nickt. »Wir wurden gestern von einem Spähtrupp der Xylthen entdeckt. Es steht zu befürchten, dass sie
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