PR 2656 – Das Feynman-Kommando
näher. Das Tier schnupperte an dem, was Toufec ausgegraben hatte: eine Knolle oder eine Wurzel. Dann griff es zu, nahm, was man ihm anbot, und wandte sich ab. Sein Gang war reichlich unbeholfen. Als es dagegen einen Baumstamm erreicht hatte, kletterte es bedächtig, aber zügig in die Höhe.
Sarmotte sah, wie der Regen ihm am Scheitel des Fells den Rücken hinunterlief.
»Es gibt hier auch Kamele«, erzählte Toufec und richtete sich wieder auf. »Kamele, die Salzwasser trinken. Sie kommen nicht in die Stadt.«
»Woher willst du es dann wissen?«
»Ich habe sie gesehen.«
»Du hältst nach Kamelen Ausschau?«
»Glück ist eine Oase, die zu erreichen nur träumenden Kamelen gelingt. Also tut man gut daran, träumende Kamele aufzuspüren.«
In diesem Moment rauschte etwas hoch über ihnen dahin, eine Art Rochen, dann noch einer und ein dritter.
»Fagesy in ihren Rüstgeleiten«, sagte Toufec.
Delorian fragte: »Warum patrouillieren sie hier?«
»Vielleicht, weil sie sich hier in Sicherheit fühlen«, höhnte Toufec.
Delorian hob die Nase in den Regen. »Verirrte Wesen, die aus ihrem eigenen Labyrinth nicht mehr herausfinden.«
Toufec kommentierte das nicht. Er führte die kleine Gruppe weiter ins Unterholz, bis sie zu einem Stück Wiese kamen, das von den Kronen der eng stehenden Bäume überdacht lag. Der Regen drang nicht bis zum Boden durch. »Hier werden wir schlafen.«
Sarmotte runzelte leicht die Stirn.
»Pazuzu!«, rief Toufec. »Melde dich.«
Aus seiner Flasche stieg ein Nebel; er kräuselte und verdickte sich, statt zu verwehen, und nahm Gestalt an. Der Oberkörper, der Kopf, die beiden Arme waren humanoid; unterhalb der Hüfte zerfloss sein Körper zu einem langsam um sich selbst kreisenden Faden, der ihn mit der Flaschenöffnung verband wie eine Nabelschnur aus Rauch.
Delorian schenkte der Erscheinung keine Beachtung. Er hatte die Augen geschlossen und sank langsam wieder in sich zusammen.
Pazuzu glitt, ohne dass die Verbindungsschnur riss, auf Sarmotte zu. Sein Gesicht hing eine Handspanne vor dem ihren. Es war wie aus Granit und zugleich transparent. Die Augen lagen in den Höhlen ohne Iris, ohne Pupille, ohne Augapfelweiß, zwei polierte Opale.
Es erstaunte sie nicht, dass das Phantom mental völlig taub und leer war.
»Wir brauchen ein Zelt für drei Personen«, sagte Toufec. »Zwei Männer, eine Frau.«
»Was du nicht sagst«, erwiderte Pazuzu. Seine steinernen Lippen hatten sich bewegt, aber nicht synchron zu dem, was er gesagt hatte. »Ein Nachtmahl gefällig? Getränke?«
»Sei so gut«, sagte Toufec, reckte sich und gähnte lautstark. Dann entfuhr ihm ein geräuschvolles Verdauungsgas, dem Sarmotte entnehmen konnte, dass er an diesem Tag gut, viel und scharf Gewürztes gespeist haben musste.
Pazuzu streckte die Arme aus. Er spreizte die Finger, und die Finger verlängerten sich, fächerten auf. Es sah aus, als ob die Erscheinung sich verströmte, ohne dabei an Substanz zu verlieren.
Sarmotte beobachtete, wie der feine Materiestrom auf den Boden traf, in die Stämme der Bäume floss, in das Gebüsch. Kurz darauf geriet der Boden in Wallung. Er sank ab, bildete zugleich Strukturen aus, den Grundriss einiger Zimmer. Wände wuchsen empor, sparten Türen aus. Das Geschehen wurde immer geschwinder, immer rasender. Keine zwei Minuten nach dem Beginn der Aktion stand ein Zelt vor ihnen. Sarmotte betastete das Tuch. Es fühlte sich solide an, warm, von einer Wachsschicht überzogen.
»Schlaf gut, Shanda Sarmotte«, sagte Delorian. Er schlug an seiner Seite ein Stück des Stoffes zurück und ging ins Zelt.
Pazuzu glitt wieder zu ihr herüber, in den Händen ein Tablett mit Brot, Gebäck, einer süß und scharf duftenden heißen Sauce in einem irdenen Töpfchen und einem Krug voll kühlem Wasser.
Sarmotte nahm ihm das Tablett ab.
Pazuzu löste sich auf. Der Nebelfaden zog sich in das Gefäß zurück.
Toufec betrachtete seine Stiefel. »Ich werde sie ein wenig pflegen«, sagte er und zog sich in das Zelt zurück.
Sarmotte fand ein niedriges Zimmer mit einer Liege vor, darauf eine Decke, ein Kopfkissen. Neben dem Bett stand ein stummer, hölzerner Diener für ihre Kleidung.
Es war still. Kein Geräusch drang von außen zu ihr herein, kein Geräusch aus den beiden benachbarten Räumen. Als sie sich umdrehte, hatte sich der Ausgang nahtlos verschlossen. Sie aß und trank, entkleidete sich und legte sich auf ihr Bett.
Es wurde dunkel im Zimmer. Sie schlief übergangslos ein. Sie
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