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PR 2658 – Die Stunde des Residenten

PR 2658 – Die Stunde des Residenten

Titel: PR 2658 – Die Stunde des Residenten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Themsen
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aber nur genauer anschauen, was hier geschieht, um zu wissen, dass sie und ihr Rat nur an Marrghiz' Antigravschnüren zappeln – oder aber an den gleichen, an denen auch der Sayporaner und sein Fagesy-Helfer hängen.
    Sie versuchte, die Gespräche und Diskussionen zu verdrängen, die hinter ihr geführt wurden. Die Stimmen waren gedämpft, aber das machte es Jordan nicht leichter. Ihr Leben lang hatte sie in ihrer Freizeit die Zurückgezogenheit bevorzugt. Jetzt war sie seit Stunden mit Leuten zusammen, die nur drei gleichermaßen deprimierende gemeinsame Gesprächsthemen kannten: Politik, Sport und Wetter.
    Obwohl die Klimaanlage die Luft frisch hielt, kam es Jordan vor, als würde es immer stickiger. Die Wohnung war nicht für so viele Leute gemacht, und man hatte sich nur mühsam behelfen können. Nahezu jeder Raum war irgendjemandes Schlafplatz, und es gab keine Rückzugsorte außer dem Bad, vor dem sich dafür ständig Schlangen bildeten, wenn man sich einmal länger darin aufhielt. Noch waren alle freundlich zueinander, doch Jordan war sicher, dass das nicht mehr lange so bleiben würde. Sie selbst hatte das Gefühl, kurz vor einem hysterischen Anfall zu stehen.
    Die ehemalige Residenzministerin für Mutantenfragen rang sich dazu durch, sich von dem längst vergangenen Blick auf die Stadt zu lösen und den Weg in die Küche anzutreten. Sie würde sehen, was der Autokoch zu bieten hatte, und dann das Erstbeste wählen, um ihren knurrenden Magen zu beruhigen. Appetit hatte sie keinen.
    Die Lichtspirale an der Wohnungstür wechselte von Rot auf Grün, und ein leiser Glockenton erklang. Jordan wandte sich mit einem Achselzucken ab. Sicherlich Fagesy, die prüften, ob noch alle da waren!
    Erst als die Gespräche abrupt verstummten, sah sie wieder zur Tür.
    Eine Gestalt in einem SERUN stand in der Öffnung. Die Helmfolie war verspiegelt und ließ keinen Rückschluss auf die Person darin zu. Sie trat ein und verschloss die Tür wieder.
    Jordan trat vor. Immerhin war es ihre Wohnung. »Hallo ... Soldat. Wie bist du hier hereingekommen? Die Fagesy haben die Türkombination verändert ...«
    »Manche Kodes verlieren nicht so leicht ihre Gültigkeit wie Türkombinationen. Mir steht jede Tür der Residenz offen.«
    Jordan traute ihren Ohren nicht. Diese Stimme ... Sie schluckte schwer. Die kaum verheilte Wunde brach auf, die der Tod des Terranischen Residenten gerissen hatte.
    »Bist du so hereingekommen?«, wisperte sie und unterdrückte ein Schluchzen. »Mit einem gefälschten Stimmprofil?«
    »Nein, Isabelle.« Der Soldat hob die Hand und berührte den Öffnungskontakt des Helms. Mit einem leisen Zischen faltete der Helm sich nach hinten weg. »Mit meiner eigenen Stimme und allem, was dazugehört.«
    Jordan stieß einen erstickten Schrei aus. Nur am Rande nahm sie die Geräusche scharfen Einatmens und die erstaunten Ausrufe der anderen im Raum wahr.
    »Bully! Du lebst!« Ehe sie selbst recht wusste, was sie tat, hatte sie bereits die Arme um den Residenten geworfen und drückte ihn an sich, als müsse sie sich auf diese Weise bestätigen, dass der Körper echt war.
    Sie hörte, wie die anderen herankamen, wie ihre Worte immer wieder wiederholt wurden und andere all die Fragen stellten, die ihr im Kopf umherschwirrten und keinen Weg vorbei an der schieren und fast erstickenden Freude fanden, die sie erfüllte.
    »Du lebst«, flüsterte sie wieder und wieder. Nasse Bahnen entstanden auf ihren Wangen. Sie hatte nicht einmal gemerkt, dass sie weinte.
    Schließlich löste sie sich von ihm, ohne jedoch ihren Griff an seinen Arm aufzugeben. Gemeinsam mit den anderen schob sie Bully in den Raum hinein und platzierte ihn auf der Couch.
    »Durst?«
    »Wasser wäre gut. Je weniger ich auf die Vorräte des SERUNS zurückgreifen muss, umso besser. Was hat sich hier in der Residenz in letzter Zeit alles zugetragen?«
    Isabelle Jordan ging in die nun völlig leere und ruhige Küche. Sie nutzte die Zeit, bis der Spender das gefüllte Glas ausspuckte, um ihre Gedanken zu ordnen.
    Reginald Bull lebte. Der Unfall beim Erdbeben in der Zona Mexico, die Beerdigung ... alles war nur Show gewesen, eine Täuschung.
    Wie hat er uns allen nur so wehtun können? Warum hat er uns nichts gesagt?
    Aber sie wusste es im gleichen Moment, da sie die Fragen stellte: Natürlich hatte er nicht riskieren können, dass jemand sich verplapperte oder es sogar Verräter gab. Es war ein geschickter Schachzug gewesen. Den untergetauchten Regierungsmitgliedern

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