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PR 2659 – Toufec

PR 2659 – Toufec

Titel: PR 2659 – Toufec Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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die dunklen Augen mit den Frauen gemein, die Toufec gekannt hatte. In seinen Augen war sie dennoch eine Schönheit.
    Er fragte sich, ob Delorian bewusst nach einer Frau gesucht hatte, um ihm eine Gefährtin an die Seite zu stellen, aber er ahnte, dass Delorian auf diesbezügliche Fragen nicht antworten und Pazuzu seine Standarderwiderung geben würde.
    Toufec hatte nach dem Aufwachen einen Schnelldurchlauf in irdischer Geschichte und geografischer Entwicklung bekommen. Nun wurden seine Kenntnisse vertieft.
    »Die Frau ist Clara Esleve«, sagte Delorian. »Sie lebt in einem Land namens Deutschland, das weit nördlich von deinem Geburtsort liegt. Seit zehn Jahren herrscht dort ein Krieg, der als Religionskrieg zwischen den beiden christlichen Konfessionen angefangen hat und sich mittlerweile zu einem Vernichtungskrieg gegen Land und Leute ausgewachsen hat. Die Soldatenheere werden nicht verpflegt, sondern müssen sich ihre Nahrung aus dem Landstrich holen, durch den sie ziehen, egal, ob es sich um feindliches oder freundliches Territorium handelt.
    Die Feldherren, die im Auftrag der verfeindeten Fürsten die Soldaten anführen, sind in erster Linie Unternehmer, die mit ihren Feldzügen Macht, Ländereien und Geld gewinnen wollen. Ganz am Ende und von allen schikaniert, ausgeplündert, vergewaltigt und ermordet sind die Zivilisten, die sich nicht wehren können.«
    Toufec schüttelte den Kopf. »Ein Feldzug sollte immer auch um die Ehre gehen.«
    Delorian lächelte knapp. »Anstand und Ehre sind stets die ersten Opfer im Krieg. Wenn ein Mensch ständig nur gequält wird, sucht er nach einem Schuldigen für sein Unglück. Die Menschen in Deutschland und den vom Krieg nicht minder verwüsteten Nachbarländern haben ihre Schuldigen gefunden: die Hexen. Und die fanatischen Priester beider Konfessionen schüren diesen Glauben, weil sie zu dumm oder zu ehrlos oder zu machtgeil sind, um die Wahrheit zu sagen, nämlich dass es keine Hexen gibt, nur Kräuterkundige, Hebammen, Andersgläubige, Andersartige ... oder politische Gegner, die man mit dem Hexereivorwurf prima erledigen kann. Vor den Stadtmauern donnern die Kanonen der Belagerer, drinnen lodern die Scheiterhaufen der Hexenjäger, und auf ihnen verbrennen bei lebendigem Leib Männer, Frauen und Kinder ...«
    Toufec musterte Delorian, den er sich noch nie so in Rage reden gehört hatte wie in diesem Moment. Der Alte starrte vor sich hin. Schließlich schien er Luft zu holen.
    »Clara Esleve ist zwanzig Jahre alt. Sie hat keinem Menschen geschadet, aber sie ist trotzdem als Hexe angeklagt und eingesperrt worden. Sie wird auf dem Scheiterhaufen sterben, brüllend vor Schmerz in den Flammen, während ihr Gemeindepfarrer und ihre Nachbarn und die Stadträte und der Hexenkommissar Beifall klatschen und sich damit brüsten, eine weitere Seele vor dem Teufel gerettet zu haben, indem sie sie durch das reinigende Feuer geschickt haben. Im Stadtgefängnis hören derweil die anderen Verdächtigen die Schreie des Opfers und wissen, dass sie die Nächsten sind.«
    »Diesmal wird es anders werden«, sagte Toufec, nachdem Delorian schwieg. »Clara Esleve wird gerettet werden.«
    Delorian nickte langsam. »Wir werden ein Imago anstelle ihrer Leiche hinterlegen, um keine offenen Fragen zurückzulassen. Wir brauchen uns nicht einmal Mühe zu geben – was das Feuer am Ende freigibt, sieht nicht mehr sehr menschlich aus.«
    »Wir wollen keine offenen Fragen hinterlassen ... und vor allem die Situation nicht weiter anheizen, indem wir eine Verurteilte spurlos verschwinden lassen«, mutmaßte Toufec.
    Delorian nickte wieder. »Wir können nichts tun, um den Wahnsinn zu beenden, aber wir dürfen ihn auf keinen Fall fördern.« Plötzlich lächelte er Toufec an. »Du wirst dir etwas einfallen lassen müssen, um Clara vom Scheiterhaufen zu rauben.«
    »Diebstahl bei hohen Temperaturen war schon immer meine Spezialität«, sagte Toufec.
    Er blickte über die Schulter auf den Monitor, wo Clara Esleve mit einem kecken Lächeln im Gesicht zu sehen war. Ihr Anblick rührte Toufecs Herz. Er spürte, dass er sie retten musste, wenn er jemals wieder Frieden finden wollte.
     
     
    4.
     
    Die Blase mit Toufec an Bord, an dessen Gürtel wiederum die »Flasche« hing, die Pazuzus Heimat war, raste über eine weidwunde Landschaft.
    Es war Sommer, aber das Getreide auf den Feldern war kümmerlich wie im April, in den Feldrainen standen Lachen vom dauernden Regen, und kreuz und quer über die Wiesen und

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