Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR 2661 – Anaree

PR 2661 – Anaree

Titel: PR 2661 – Anaree Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
Vom Netzwerk:
sich an den Hünen. »Ich muss mit dir sprechen, Orsen Tafalla.«
    »Aber natürlich«, antwortete der Stämmige. »Doch lass mich zuerst ein paar Worte zum Mahnenden Schauspiel vom See der Tränen sagen. Eine alte Theaterregel.« Er lächelte einnehmend. »Zuerst erkläre ich dir, was ich dir sagen werde, dann sage ich es dir, dann fasse ich zusammen, was ich gesagt habe, und dann hast du es vielleicht verstanden.«
    Er ist sehr von sich überzeugt, dachte Anaree. Der Morgenschwester wird das gar nicht gefallen.
    »Weißt du, wen du vor dir hast?«, fragte die Göttin des Tagvolks.
    »Natürlich. Aber ich will es dir trotzdem gern erklären. Das Mahnende Schauspiel vom See der Tränen erzählt, wie der Untergang des Reiches der Harmonie seinen Anfang nahm.
    Das Reich der Harmonie war ein Ort des Friedens. Aber dann kam ein Bote der Hohen Mächte und überredete den König dazu, das Reich in die Dienste einer mächtigen Entität zu stellen, die zum Wohl des Universums arbeitete.
    Der König konnte die Vorteile und Nachteile nicht richtig abschätzen; nicht nur das Wohl seines Volkes stand bei ihm im Vordergrund, sondern auch die Zukunft seiner Tochter, der Prinzessin, die das Reich einmal erben und dadurch zur nächsthöheren Ebene aufsteigen sollte.«
    »Orsen Tafalla! Oder sollte ich lieber nur Tafalla sagen?«, warf die Morgenschwester ein.
    »Aber sein Kanzler riet ihm dazu«, fuhr der Stämmige unbeeindruckt fort, »das Angebot des Boten auf jeden Fall anzunehmen. Denn der Bote hatte den Kanzler moralisch unter Druck gesetzt und ihm die angeblichen Vorteile schmackhaft gemacht, nicht zuletzt die Möglichkeit, auf diese Weise an Macht zu gewinnen.
    Obwohl der Kanzler dem König loyal gegenüberstand und die Prinzessin liebte, schlug er sich wegen persönlicher Vorteile auf die Seite des Boten. Aber damit wurde er zum Verräter am Reich der Harmonie, denn es geriet zwischen die Fronten der Hohen Mächte. Am Ende fiel es der Vernichtung anheim.«
    »Tafalla!«
    »Natürlich, meine Liebe. Wir fangen sofort an. Du scheinst mich ja zu kennen, zu wissen, wer ich bin. Vielleicht mit einem Auszug, der dich zum Kern der Sache führt? Erster Akt, vierte Szene?«
    »Wage es nicht ...«
    Auf der frei stehenden Bühne materialisierte eine Kulisse mit Sitzgelegenheiten, einem prächtigen Thron und vier wuchtigen Sesseln. Die Schauspieler nahmen darauf Platz, nur der Bote blieb stehen. Er verbeugte sich kurz vor der Morgenschwester. »Wir sind ja sozusagen verwandte Seelen.«
    Die anderen ignorierend, sowohl die Kollegen als auch das Publikum, wandte er sich dann direkt an den Kanzler, und die Aufführung begann.
    BOTE: »Es ist unser Begehr, den König zu sprechen.«
    KANZLER: »Gewiss doch, gewiss!«
    HOFNARR, leise: »Meine Sinne müssen mich trügen! Er spricht, als ob er mehrere wär'.«
    PRINZESSIN, erhebt sich: »Mein Vater ist in wichtigen Geschäften. Er bat mich, euch zu begrüßen.«
    BOTE: »Welch unerwartetes Labsal für unsere Augen! Eure Schönheit überstrahlt die unbeholfenen Schilderungen, die man an den Gestaden der Hohen Mächte unter vorgehaltener Hand äußert, bei Weitem!«
    HOFNARR, leise nachäffend: »Welch unerwartetes Labsal für unsere Ohren ...«
    PRINZESSIN, verlegen: »Nicht doch, Hoher Bote! Ihr bringt mich zum Erröten!«
    HOFNARR: »Der Dünkel raubt mir die Luft zum Atmen. Ich werde mein Bein in den Innenhof schwingen.«
    KANZLER: »Ich werde dich begleiten.«
    HOFNARR, murmelnd: »Wer das Herz auf der Zunge trägt, muss sich nicht wundern, wenn ihm fauliger Atem entgegenschlägt.«
    KÖNIG, auf dem Thron, mit dem Zepter herumfuchtelnd: »Ihr seht mich nicht, doch ich höre wohl, was ihr sagt. Ich begehre auf. Ich habe das Richtige getan. Es kann nicht anders sein, denn ich tue immer das Richtige.«
    »Tafalla!«, rief die Morgenschwester. »Es ist so weit! Die Hohen Mächte haben euch ereilt. Und sie werden euch zur Rechenschaft ziehen ...«
    Orsen Tafalla wirbelte abrupt zu seinem Publikum herum. Er bewegte sich nun nicht mehr langsam und würdevoll, sondern geradezu raubtierhaft, als sei in seinem Körper eine unvorstellbare Kraft verborgen.
    Anaree hielt sich bereit. Falls es tatsächlich zu einem Kampf kommen sollte, stand er unmittelbar bevor.
    Der Kanzler richtete zornig einen Finger auf die Morgenschwester. »Ignorantin! Das Narrentum bedrängt uns an jeder Ecke! Du kannst uns nicht einschüchtern. Aber wenn du es so willst ...«
    »Tafalla«, sagte die Morgenschwester mit einer Ruhe

Weitere Kostenlose Bücher