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PR 2663 – Der Anker-Planet

PR 2663 – Der Anker-Planet

Titel: PR 2663 – Der Anker-Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Montillon
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ein blutjunger Xylthe, dem Kaowen keinen Blick gönnte.
    Stattdessen musterte er weiter die Typenliste, die die Orterholos anzeigten. Dosanthi-Raumer ... sogar einige Xylthen-Rebellen mischten sich unter den Pulk ... das Konsortium Mostbeth ... Die Liste nahm kein Ende.
    All das wirkte weniger bedrohlich als vielmehr chaotisch. Die Flotte, wenn man sie denn als solche bezeichnen wollte, nahm nicht einmal eine gemeinsame Formation an. Die Schiffe erinnerten eher an eine völlig planlose Schar von Insekten, die aus irgendeinem unbestimmbaren Grund ihr kollektives Orientierungsvermögen verloren hatte.
    »Wir warten ab«, bestimmte Kaowen. »Zur Verteidigung bereithalten und einen Angriff vorbereiten. Den Startbefehl erteile ich, falls überhaupt nötig. Niemand unternimmt etwas ohne meinen Befehl!«
    Seine Offiziere bestätigten.
    Der Protektor musterte die Anzeigen.
    Das war nicht alles.
    Das konnte nicht alles sein.
    Die RADONJU trieb als einziges Schiff im Inneren der Anomalie, außerhalb wuchs die Zahl der Einheiten nach wie vor rapide an. Noch befand sich seine Flotte allerdings in der Überzahl. Der zusammengewürfelte Haufen stellte keine echte Gefahr dar.
    Doch da draußen lag etwas in der Luft – oder in dem hyperenergetisch aufgewühlten Chaos, das sich jederzeit entladen konnte. Mehr als das rein Sichtbare lauerte dort. Kaowen spürte es mit der Erfahrung des Xylthen, dessen Sinne in tausend Schlachten geschärft worden waren.
    Und er meinte, es noch auf eine zweite, tiefer gehende Weise zu verspüren. Es war, als spräche die Präsenz aus dem lebenden Planeten wie ein fernes Echo zu ihm, ein formloser Mund unter den wechselnden Augen im ungeschlacht-knöchernen Gesicht, das ihn anstarrte.
    Der Eindruck verging so schnell, wie er gekommen war. Der Protektor versuchte nachzugreifen, um mehr von diesen fremden, unbestimmbaren Gedanken zu erhaschen, doch es gab nichts außer bloßer Erinnerung.
    Er rief ein Detailholo des Planeten Shikaqin auf, stellte neue Messungen an.
    Die Ergebnisse widersprachen den ersten, die immerhin in einem Punkt eindeutig gewesen waren: Die Masse, die die gesamte Welt überzog, wurde nun in einem Augenblick als organisch, im nächsten als anorganisch-kristallin spezifiziert. An vielen Stellen gab es große Ballungen stabiler Chanda-Kristalle.
    Neugierig geworden, zoomte Kaowen in der Holo-Wiedergabe einen Teilbereich des Planeten näher heran.
    Die Oberfläche war völlig eben wie ein See, über den nicht der geringste Wind hinwegzog. Und doch wallte sie in sich, als würde sie jemand aufschütteln. Der Xylthe vergrößerte noch weiter und glaubte, einzelne Kristallformationen zu sehen, die ihre Gestalt jedoch kaum merklich wandelten.
    Sie zerflossen, formten sich neu, waren in ständiger, mikroskopisch kleiner Bewegung. Sie lebten, daran konnte kein Zweifel bestehen.
    Und im nächsten Augenblick bildeten sie eine Gestalt.
    Ein ... Gesicht?
    Ungeschlachte Formen modellierten einen halb geöffneten Mund, in dem sich eine dürre Zunge über lockere Zähne schob. Kristallgeflechte wuchsen als bizarres Geflecht, Gesichtszüge ragten auf wie ein Gebirge.
    Ehe der Prozess ein Ende fand, verflüssigten sie sich wieder, und der Mund schrie als finsteres Loch in einem Ozean voller Wellen. Kristallfluten füllten ihn, und im nächsten Augenblick war er verschwunden.
    Protektor Kaowen ließ den Ausschnitt der Holodarstellung über die Planetenoberfläche wandern. Überall bot sich dasselbe Bild – Gesichter entstanden und vergingen, meist mit weit aufgerissenen Augen und Mündern, als wollten sie verzweifelt etwas sehen oder vor Qual schreien.
    Der grauenhafte Anblick übte eine widerwillige Faszination auf Kaowen aus. Er konnte sich nur mühsam losreißen.
    Als er sich abwandte, glaubte er, erneut eine Erinnerung zu empfangen – doch sie entstammte nicht seinem eigenen Leben, sondern schien ein wildes Konvolut von fremden Gedanken zu sein, zerbrochen und ... tot.
    Der Protektor konnte diese Gedankensplitter nicht in klare Worte fassen, ihnen keinen eindeutigen Inhalt zuordnen, aber er fühlte sich verlassen, einsam und so, als fahre etwas mit einem Messer mitten durch seine Seele.
    Unwillkürlich riss er die Hände hoch.
    Sie zitterten.
    Er presste sie an die Schläfen, ächzte unterdrückt, schloss die Augen und sah ein Gemisch aus tausend Szenen vor sich: Lebewesen liefen über ihre Heimatwelten, schwammen und flogen. Sie lachten, tanzten, weinten und arbeiteten. Der Tod holte sie

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