PR 2665 – Geheimnis der Zirkuswelt
erreichten, wandte er sich um und ging in das Innere des Gebäudes.
Joschannan drehte den Kopf und nickte jedem seiner Begleiter kurz zu. Ihr Leben war nicht in Gefahr. Nun ging es darum herauszufinden, was der Sayporaner mit ihrer Entführung bezweckte – und wie viele Informationen sie über die geheimnisvollen Wesen sammeln konnten.
Sie traten ein.
Der Fremde stand auf einer leicht erhöhten Bühne vor einer beeindruckenden Metallskulptur. Zwei weitere Sayporaner hielten sich im Hintergrund auf. Alle drei hielten sie ihnen ihre seltsam eigenschaftslosen Gesichter zugewandt.
»Ich begrüße dich, Erster Terraner Arun Joschannan, und deine Begleiter. Wir bitten euch, von den Umständen eures Hierherkommens abzusehen und euch als Gradmesser diese friedliche Begegnung zu nehmen.«
Arun Joschannan schürzte die Lippen. Die Worte des Sayporaners klangen wie Hohn. Gleichwohl hatte der Erste Terraner das untrügliche Gefühl, dass es kontraproduktiv wäre, den Fremden mit seiner Sicht der Entführung zu konfrontieren.
Joschannan richtete seine Aufmerksamkeit kurz auf die Skulptur. Sie stand exakt in der Mitte von fünf Stelen in Form schmaler, unregelmäßig geformter Metallpfeiler von etwa zwei Metern Höhe.
Die Skulptur selbst erinnerte ihn an eine überdimensionierte Origamifigur, die aus einer unglaublich leichten Metallfolie gefaltet zu sein schien. Um was es sich bei dem Vorbild der Figur handelte, entzog sich seiner Kenntnis. Auf den ersten Blick erschien sie ihm hochkomplex – und in ihrer Machart wunderschön.
Die Bühne, auf der der Sayporaner stand, erinnerte Joschannan an ein Parkett, das aus dünnen, gläsernen Dielen zusammengesetzt worden war. Unter dem Glas gähnte ein Abgrund. Eine Art violetter Rauch oder Staub stieg aus der Tiefe, kräuselte und verlief in sich selbst, um wieder hinabzufließen. Ein ewiger Kreislauf.
Das also ist ein Transitparkett, dachte der Erste Terraner. Wie Marrnuur es beschrieben hat.
»Mein Name ist Stradsoider«, sagte der Sayporaner feierlich. »Weiter möchte ich euch vorstellen: Chourweydes und Marrkurdiz.«
Stradsoider hob beide Arme und wies auf die beiden anderen Sayporaner. Sie neigten nur kurz den Kopf, blieben stumm an ihren Plätzen stehen.
Gleichzeitig schwoll eine seltsame Musik an. Eine Mischung aus einem fernen Glockenspiel, Harfenklängen und dem traurigen Singen einer Geige. Im gleichen Moment, als Joschannan diese Vergleiche zog, wurde ihm bewusst, dass sie völlig falsch waren.
»Weshalb sind wir hier?«
»Gemach, gemach«, sagte Stradsoider mit einem sanften Lächeln. »Ich hätte die mannigfaltigen Entscheidungen für diese Zusammenkunft nicht auf mich genommen, wenn ich nicht gewollt hätte, dir ihre Gründe darlegen zu dürfen.«
Der Sayporaner, der als Marrkurdiz vorgestellt worden war, machte einen Schritt auf Stradsoider zu. Die Bewegung war eine Spur zu abrupt erfolgt, als dass sie zu der künstlichen Gelassenheit gepasst hätte, mit der die Sayporaner diese Zusammenkunft zelebrierten.
Etwas stimmt nicht!, dachte Joschannan.
Tekener hatte beim Angriff in ihrer Nähe gestanden. Mit ein wenig Glück war er weder von den Thermo- noch von den Paralysestrahlen getroffen worden. Hatte er ihre Spur bereits aufgenommen?
»Wir sollten uns beeilen«, sagte Marrkurdiz drängend. »Wir haben nur noch wenig Zeit!«
»Wohlan denn!«, sagte Stradsoider, ohne den bisherigen Tonfall zu verändern. »Kommt alle zu mir!«
Als Joschannan und seine Begleiter zögerten, traten Marrkurdiz und Chourweydes auf sie zu und gaben ihnen in eindeutigen Gesten zu verstehen, dass sie sich zu Stradsoider auf das Podest begeben sollten.
In Joschannan schlugen alle Alarmglocken an. Aber er sagte sich, dass sie gegen die unsichtbaren Waffen der Sayporaner keine Chance hatten. Zudem hoffte er, dass Stradsoiders blumige Worte ernst gemeint waren und er ihn über seine Absichten in Kenntnis setzen würde.
Entschlossen trat er auf die Bühne. Onttril-Gukzz, Tork-Trak und die beiden Terraner folgten ihm.
Stradsoider, der fast einen Kopf kleiner war als Joschannan, hob die Arme und zeigte ihm die Innenseite seiner weiß schimmernden Hände.
»Ich sehe den inneren Zwiespalt, den Widerspruch in eurem Denken und Handeln«, sagte er lächelnd. »Dabei wäre es ein Leichtes, sich für neue Aspekte des Seins zu öffnen. Kindesgleich das Neue zu bestaunen, neues Wissen in sich aufsaugen, ohne in der Angst zu verharren, das Bisherige zu verlieren.«
Es klang wie ein Gebet.
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