PR 2672 – Kosmische Agonie
jenseits der Blase wartenden Sternengaleonen die Lücke bemerkten, sollte es aussehen, als wäre es lediglich eine weitere Erkundungsmission. Die HANNER TEKENBECK stand bereit, um wieder im Schutz ihres Paros-Schattenschirms hinauszuschleichen, Abstand zu gewinnen und einige Daten über die weitere Entwicklung der Anomalie zu sammeln.
Vielleicht würde den Besatzungen der Entsatzschiffe auffallen, dass die Strukturlücke viel größer war als die vorigen. Vermutlich würden sie es aber für ein Versehen halten. Ihre Feinde konnten nicht ahnen, dass zugleich mit der HANNER TEKENBECK noch etwas anderes das Solsystem verließ.
Ollarons Verband bereitete sich darauf vor, das Spähschiff im Linearraum zu passieren und den Schutz der Sextadimblase gleichzeitig mit ihm zu verlassen. Sie würden den Krieg dorthin zurücktragen, woher er gekommen war.
»Schirmlücke öffnet sich. Ausdehnung erreicht kritisches Minimum in zehn Sekunden, neun, acht ...«
»Mossi?«
»Eintauchgeschwindigkeit erreicht.«
»... zwei, eins, jetzt.«
Vashari Ollaron zählte im Geist einige weitere Sekunden herunter, den Blick auf den mit rostrotem Stoppelhaar bewachsenen Hinterkopf des Piloten gerichtet. Ob er seine Frisur bewusst an die des Terranischen Residenten angepasst hatte?
Irrelevant.
»Major Fochler, Etappe!«, befahl sie.
Der Erste Pilot bestätigte knapp. Von einem Moment zum anderen erloschen die stecknadelkopfgroßen Punkte der Kunstsonnen hinter ihnen. Sie glitten in den Zwischenraum.
Schweigen herrschte in der Zentrale. Jeder zählte erneut die Sekunden.
Drei ... vier ... fünf ... sechs ...
Ollaron atmete auf und sank in den Sessel zurück. Sie hatten den Schirm passiert, ohne gebremst oder gar aus dem Linearraum geworfen zu werden. Der erste Schritt war getan.
*
Eine Sirene verkündete die erste Alarmstufe.
»Austrittsabweichungen jenseits der Toleranzen«, meldete die Positronik.
»Jenseits von Gut und Böse!« Oberstleutnant Yaro raufte sich das schwarze Kraushaar. »Die SHANGRI-LA muss stoppen, sonst rauscht sie womöglich noch jemandem in die Quere! Haltet diese Leute auf!«
»Warnung ist raus und bestätigt«, meldete Arsith.
Mit einem Blick erfasste Ollaron das Ortungsholo. Von der beim Abflug sorgfältig eingenommenen Formation war nichts mehr übrig. Die Schiffe fielen bunt durcheinandergewürfelt aus dem Raum, mit zufälligen Zeitpunkten und Richtungsvektoren.
Gerade huschte der Ortungspunkt eines der Trägerschiffe bedrohlich nah an einem Schweren Kreuzer vorbei. Ollaron wusste, dass die Größe der Punkte nicht maßstäblich war und in Wirklichkeit der Abstand der Schiffe kaum unter hundert Kilometer gesunken war. Dennoch hatte sie sich unwillkürlich verkrampft.
»An alle Schiffe! Aufstoppen und orientieren! Anschließend sammeln in ursprünglicher Formation, aber mit um den Faktor 1,5 erhöhten Abständen!«, ordnete sie an. »Oberst Mossi, setze die ZHENG HE in Zielpunktrichtung vor den Rest des Verbandes. Wir bleiben an der Spitze. Anschließend Ausbringen der Hyperfunkbojen.«
Das Licht in der Zentrale flackerte und ging aus. Nur noch das Glimmen der Notbeleuchtung erhellte die Stationen, auf deren Anzeigen unzählige rote Meldungen aufflammten.
»Warnung! Energie-Insuffizienz entdeckt. Sofortige Diagnose der Energiesysteme erforderlich. Leite Prüfroutinen ein.«
Noch während der Meldung der Positronik kehrte das Licht zurück. Sämtliche Warnungen erloschen.
»MA SANBAO, Abbruch der Prüfroutinen«, forderte Mossi den Positronikverbund auf. »Erster Offizier, Positionswechsel einleiten und weitergeben. Interkom-Verbindung zur Wissenschaftsabteilung.«
Der diensthabende Leitende Wissenschaftsoffizier erschien auf dem internen Kommunikationsholo.
»Der Ladungsfluss ist zeitweise völlig zum Erliegen gekommen. Als wären die Elektronenhüllen eingefroren«, erklärte er und hob die Hände. »Möglicherweise ein Zeitverzerrungseffekt als Folge der gravitationalen Irritationen. Es könnte sich um verschiedene vierdimensionale Auswirkungen derselben höherdimensionalen Störungsquelle handeln. Diese Theorie ist schon nach der Auswertung der Daten von der HANNER TEKENBECK aufgestellt worden.«
»Warum bleibt die Positronik unberührt?«
»Wahrscheinlich wegen der einprogrammierten Wiederholroutinen mit wechselnden Zugriffszonen. Das läuft im Nanosekundenbereich ab. Alles geht dann über die Bereiche, die gerade nicht betroffen sind. Dazu verfügt sie über eine stärker redundante
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