PR 2672 – Kosmische Agonie
gebremst hatte, nur eine Handbreit von ihrem ungeschützten Kopf entfernt. Irgendwo zischte kurz etwas, Löschgas vielleicht oder eine geplatzte Pneumatikleitung. Ein Knarren ertönte, begleitet von erneutem Zittern des Schiffes.
Ollaron kämpfte sich hoch. Etwas stimmte nicht mit der Schwerkraft; sie war zu hoch und machte den Boden der Zentrale zu einer Rampe. Die Positronik plärrte schnell aufeinanderfolgend Meldungen in das Sirenengeheul. Schäden in Front- und Hecksektion, Brüche in der Außenhülle, großräumige Druckverluste. Betroffene Sektionen waren abgeriegelt. Ein Sechseckmodul hatte sich losgerissen, Energieausfall auf mehreren Ebenen.
Zu viel.
Die Verbandskommandantin stieß sich von der Station ab und eilte zu ihrem Sessel, der alle Daten optisch aufbereitet präsentieren würde. Kurz hielt sie inne, als ein Medoroboter heranschwebte und ihr eine Injektion in den Hals verpasste. Sofort ließ der Schmerz nach, und sie konnte wieder freier atmen.
»Erkenne mehrere angebrochene Rippen und Zerrungen der Muskulatur der linken Seite und des linken Beins. Innere Verletzungen möglich«, meldete der Roboter, während Ollaron verbissen weiterstieg und sich an der Armlehne ihres Sessels festklammerte. Seine Stimme war über dem Geheule der Sirenen gerade noch zu hören. »Empfehle dringend sofortiges Aufsuchen der Medo-Station.«
»Zur Kenntnis genommen.« Erneut ging ein Ruck durch das Schiff, der die Verbandskommandantin beinahe den Halt wieder verlieren ließ.
»Positronik, Alarmsirenen aus!«
Der Lärm verstummte. Stattdessen konnte Ollaron das Knistern hinter den Paneelen hören, das Knarren gequälten Stahls und das Stöhnen der Mitglieder der Zentralebesatzung. Rechts rollte sich gerade der Dritte Offizier, Oberstleutnant Insheon, hinter seinem Sitz hervor. Eine kleine Wunde zog sich über seine blassblaue Wange abwärts, ansonsten wirkte er unverletzt. Mit grimmigem Gesichtsausdruck zog er sich am Sitz hoch, während ein Medoroboter ihn umschwirrte.
Sie sah Mossi breitbeinig am Energieleitstand stehen. Eben zog er den Körper des dort wachhabenden Offiziers zurück. Den Topsider hatte auch die ledrige Haut seines Echsenkörpers nicht retten können. Ein Stück einer eingedrückten Projektionsplatte hatte sich durch sein Auge in den Kopf gebohrt. Es war auf den ersten Blick erkennbar, dass er tot war.
Schlagartig kippte die Schwerkraft, aufwärts wurde abwärts. Der Leichnam segelte durch die Zentrale, während Mossi sich krampfhaft am Sitz des Topsiders festhielt. Ollaron ließ sich auf den Boden fallen. Erneut zuckte der Schmerz durch ihren Körper. Keine Zeit, sich darum zu kümmern. Sie kam ins Gleiten, griff auf der Suche nach Halt um sich, bis ihre Füße auf einer Station landeten. Der Aufprall ließ sie aufstöhnen.
Wieder erschütterte ein Stoß das Schiff. Ungläubig sah Ollaron, wie die Wand, an der sie eben noch gestanden hatte, sich nach innen wölbte, als wäre sie nichts als Papier. Mossi gab seinen Halt auf und rutschte nach unten zu ihr.
»Zentrale räumen!«, brüllte er gegen den Lärm des gequälten Stahls und zerspringender Paneele an. »Sammelpunkt Nebenzentrale Drei!«
Ollaron tastete nach den Kontrollen ihres Raumanzugs, doch Mossi war schneller. Er umfasste sie an der Hüfte und aktivierte zeitgleich sein Flugaggregat. Gemeinsam rasten sie durch das gefühlt schräg unter ihnen liegende offene Schott, hinaus in einen Gang, in dem es kein klares Oben und Unten mehr gab. Das rote Flackern der Warnbeleuchtung umriss schattenhaft andere Gestalten, die vor und hinter ihnen flohen.
Ein Aufschrei. Ollaron sah zurück. Das Schott war zugefahren. Ein Besatzungsmitglied hing an einer Art Leine daran fest. Mossi bemerkte es nicht. Mit einem Ruck löste Ollaron sich von ihm. Sie hatte das eigene Flugaggregat inzwischen aktiviert und zog das Vibromesser vom Gürtel des Anzugs.
Es war Captain Wolkin, die am Schott hing. Ihr eigenes Haar war ihr zum Verhängnis geworden. So ruhig sie vorher gewesen war, nun stand ihr die Panik ins Gesicht geschrieben. Strampelnd versuchte sie, sich zu lösen. Einer ihrer Tritte traf Ollaron mitten in die Brust. Erneut schoss der Schmerz durch ihren Körper.
Sie fand es schwer zu atmen, doch sie gab nicht auf. Kurzerhand zog sie den Kombistrahler und betäubte die um sich schlagende Frau. Kaum war der Körper erschlafft, war Ollaron auch schon heran und durchtrennte den Zopf. Jemand nahm den Köper entgegen. Sie sah nach unten und erkannte Mossi
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