PR 2685 – Der ARCHITEM-Schock
möglich gewesen waren, hatte einem Schulungszentrum der Gesellschaft für interstellare Kontakte weichen müssen. Ohnehin war die gesamte Anlage allmählich verfallen, nachdem schon lange keine neuen Gräber zugelassen worden waren. Varros Kehle war wie zugeschnürt.
Ohne es eigentlich zu wollen, griff er nach den Kontrollen. Zaghaft glitten seine Hände über die Schaltflächen. Er erzielte keine Reaktion, die Funktionsmuster bauten sich gar nicht erst auf. Die Positronik hatte tatsächlich alle Funktionen übernommen.
Eine Handvoll Sichtkontrollen blieben ihm, das war alles. Varros Blick glitt über die Anzeigen. Die BAMAKO beschleunigte, allerdings nicht auf Fluchtkurs. Zweimal sah Varro auf die vereinfachte grafische Darstellung, bis er verstand, dass der Schwere Kreuzer Neptuns Schwerefeld tangierte.
»Ich übernehme ...« Ächzend griff er wieder nach den Kontrollen. Bis auf die Grundfunktionen waren und blieben sie taub. Seine schwermütige Trauer fiel zwar nicht völlig von ihm ab, doch wenigstens schaffte er es, sie zurückzudrängen.
»FRED, ich bin Kommandant und Pilot der BAMAKO ...«
Mit der Trauer wich seine Benommenheit. Varro verstummte, weil er den Überblick zurückgewann. Rings um Neptun wimmelte es wieder von Sternen, als wäre das verlorene Sternenmeer der Milchstraße zurückgekommen. Tausende von Zapfenraumern standen in der optischen Wiedergabe der Panoramagalerie.
Die Positronik hatte exakt reagiert und den eigenen Kurs nach den Pulks der Fremden ausgerichtet. In jener Schneise, die Varro eben noch als geeignet erschienen war, wäre die BAMAKO zwischen einige Dutzend gegnerische Schiffe geraten.
Die merkwürdigen Schiffe waren Angreifer, daran zweifelte Varro nicht. Zwei Schlachtkreuzer hatten sie kompromisslos vernichtet, das wurde ihm in diesem Moment richtig bewusst. Und über Neptun stiegen erneut Hunderte dieser Schiffe auf.
Distanzalarm!
Mit voller Beschleunigung nahm FRED die BAMAKO aus dem Kurs. Aber die Angreifer waren überall, und unvermittelt eröffneten zwei Schiffe das Feuer auf den Schweren Kreuzer.
Die Belastungsanzeige schnellte in die Höhe und verharrte sekundenlang auf hohem Niveau, bevor sie endlich abfiel.
Die nächsten Treffer folgten dicht aufeinander. Varro erkannte den Versuch der Positronik, einem Punktbeschuss auszuweichen. Angesichts der Übermacht der Gegner war das eher ein Verzweiflungsakt, sofern FRED überhaupt Verzweiflung empfinden konnte. Der Bordrechner verfügte über keinen Zusatz von Bioplasma.
Die BAMAKO wurde zur Zielscheibe. Varro gewann den Eindruck, dass die Angreifer mit dem Kreuzer spielten – nicht anders als die Katze, die eine Maus vor sich hertrieb, immer wieder zupackte und erst nach einer Weile, wenn sie die Lust an der Hatz verlor, kräftig zubiss.
»Das Schiff wird explodieren!«, rief er über Interkom. »Die gesamte Besatzung in die Boote!«
In der Zentrale reagierte kaum jemand. Der Kadett lag mit dem Oberkörper halb auf seiner Konsole, schluchzend und den Kopf zwischen den Armen verborgen. Huise schaute nur kurz auf, als der Kommandant ihn anbrüllte.
»Meliassa, Maxx – raus hier!«
Sichtlich verwirrt fuhr sich die Ortungschefin mit beiden Händen durchs Haar. Immerhin verließ sie ihren Platz.
Varro achtete schon nicht mehr auf Meliassa Detom. »Ignoriert diese verdammte Trauer, die uns aufgezwungen wird!«, brüllte er. »Sonst trauern bald unsere Freunde um uns ...«
Er erreichte den Kadetten und zerrte ihn aus dem Sessel. Weil Huise sich sträubte, schlug der Kommandant mit dem Handrücken zu. Seine Finger hinterließen deutliche Spuren in dem tränennassen Gesicht des Jungen. Huise blickte ihn ungläubig an, dann stolperte er davon.
Von irgendwoher erklang ein unheilvolles Prasseln, erste Überschlagsenergien tobten sich am Schiffsrumpf aus. Ein schneller Blick zur Panaromagalerie zeigte dem Kommandanten, dass der Schutzschirm flackerte. Die Katze wurde des Spielens überdrüssig.
Vibrationsalarm!
Die Positronik forderte nun ebenfalls zur Evakuierung auf.
In wenigen Minuten würde alles vorbei sein. Das letzte Mitglied der Zentralecrew hastete soeben durch das offene Hauptschott auf den Ringkorridor hinaus. Der nächste Beiboothangar lag keine achtzig Meter entfernt.
Ein rascher Blick in die Runde überzeugte den Kommandanten davon, dass er der Letzte in der Zentrale war und es für ihn höchste Zeit wurde. Warnmeldungen zeigten bereits den Ausfall einzelner Schirmfeldprojektoren. Auch wenn kein
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