PR 2694 – Todeslabyrinth
ernst. Wir rechnen damit, dass er entweder heute Nacht oder im Lauf des morgigen Tages sterben wird. Wir können weder den geistigen noch den körperlichen Verfall aufhalten.«
Sie nickte. »Muss er sehr leiden?«
»Ich glaube nicht. Er benötigt derzeit keine Schmerzmittel. Es geht vergleichsweise still vor sich.«
»Er erlischt langsam ...«
»Ja. Es tut mir leid. Ich habe übrigens versucht, deine Mutter zu erreichen ...«
Anicee winkte ab. »Bei Henrike geht die Politik immer vor. Das war nie anders. Ich weiß nicht, ob sie überhaupt kommt. Vielleicht ist ihr der persönliche Abschied zu viel.«
Das waren harte Worte über die eigene Mutter. Saram rieb sich unbehaglich den Ellbogen. Ob seine Tochter genauso über ihn dachte? Hatte er sich je darüber Gedanken gemacht? Nein, er hatte es hingenommen, dass sie ein unterkühltes Verhältnis pflegten, hatte es für »ganz normal« gehalten. Sich gar nicht vorzustellen vermocht, dass es auch anders sein könnte und dass es allein an ihm lag. Er hatte sich am Erfolg berauscht und daran, so viel Gutes für die Medizin tun zu können.
Und nun stieß er an seine Grenzen. Medizinisch, wissenschaftlich und menschlich. Obwohl Terra frei war, die natürliche Sonne wieder schien und für entsprechende Ausschüttungen von Glückshormonen sorgte, fühlte er sich nach den vergangenen Monaten und durch die Ereignisse vor allem der letzten Tage nunmehr völlig zermürbt.
»Möchtest du zu ihm?«, fragte er und scheuchte seine Gedanken fort. Tu deine Arbeit! Deswegen hast du alles andere aufgegeben, also fang nicht mit Selbstmitleid an. »Wie gesagt, er schläft. Wir wagen nicht, ihn aufzuwecken.«
»Das ist schon in Ordnung.« Anicee lächelte leicht. »Ich kann mich ja zu ihm setzen.«
»Das wird gut für ihn sein.«
»Warum?«
Diese Frage. Ein Mensch sollte es wissen. Es gab Verbindungen auf emotionaler Ebene, die nicht im n-dimensionalen Bereich angemessen werden konnten. Die nichts mit Parafähigkeiten zu tun hatten. Und die dennoch existierten. Menschen, die im Koma gelegen hatten, hatten auf diese Weise schon den Weg zurück gefunden. Der erlöschende Geist des Journalisten spürte vielleicht die Anwesenheit seiner Tochter, irgendwelche vertrauten Schwingungen und konnte dadurch noch einmal erwachen. Nicht alles musste eine rationale Erklärung finden.
»Die Anwesenheit eines eng Vertrauten wirkt sich immer förderlich auf den Heilungsprozess aus«, antwortete Ialtek förmlich. »Vielleicht kann er dadurch noch einmal erwachen und mit dir sprechen. Medizinisch haben wir alles Notwendige dafür getan, und falls er die Kraft aufbringt, bestehen durchaus Chancen. Doch er muss von selbst erwachen.«
»Ja, das verstehe ich natürlich.«
Damit war alles gesagt. Ialtek hob weisend den Arm, um die Sprecherin des Umbrischen Rates beim Verlassen des Raumes vorgehen zu lassen, dann führte er sie den Gang entlang, einmal abgebogen, die fünfte Tür links, nach Südwesten zu.
Palko erhob sich, als sie eintraten, nickte dem Mediker zu und verließ wortlos den Raum. Anicee Ybarri würdigte er keines Blickes.
Saram zog sich ebenfalls zurück und betätigte beim Verlassen den Sensor. Leise schloss sich die Tür hinter ihm.
»Sie ist sehr hübsch«, stellte der Imarter fest, als sie nebeneinander den Gang entlangschritten. Hatte er sie also doch betrachtet. »Sie sieht so jung aus. Kaum vorstellbar, dass sie uns noch vor wenigen Wochen erklärt hat, wie wir ihren Befehlen zu gehorchen haben ...«
*
Etwas ist anders. Und zwar übergangslos.
Vorher war ich »nichts«.
Jetzt bin ich auf einmal wieder »da«.
Ich spüre das Gewicht meines Körpers. Die Matratze unter mir. Das Kissen. Und das bedeutet: Ich bin wach.
Langsam öffne ich die Augen und stelle fest, dass mein Raum künstlich beleuchtet ist, sanft, damit es nicht blendet, und mit warmem Licht. Draußen vor den Fenstern ist es dunkel. Ich muss eine Weile weggetreten gewesen sein. Anscheinend ist es ihnen noch einmal gelungen, mich »aufzurütteln«. Aber ich weiß nicht mehr, was »vorher« gewesen ist. Und wann. War ich nur ein paar Stunden oder Tage, Wochen abwesend gewesen?
Im Augenblick jedenfalls fühle ich mich klar und wie befreit. Ganz leicht. Das Fieber ist weg, ich brenne nicht mehr. Das scheint wohl der Ausklang zu sein, der Epilog vor dem Ende. Still und ruhig. Finde ich nicht schlecht. Vor allem, weil ich keine Angst mehr habe.
Ich denke an Puc, doch er ... es ... ist fort. Für den Moment
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