PR 2700 – Der Techno-Mond
setzte sich und sagte: »Hallo, Gucky.«
*
Natürlich kam keine Antwort. Es kam nie eine Antwort, nie eine Reaktion. Rhodan betrachtete den kleinen, bepelzten Körper des Mausbibers, der reglos in der medizinischen Flüssigkeit schwebte, über Schläuche mit Atemluft und Nahrung versorgt und über andere Schläuche von Abfallprodukten des Körperstoffwechsels befreit wurde.
Die letzte Antwort, die er von dem Ilt bekommen hatte, war ein flapsiges »Na, klar doch!« gewesen.
Das war inzwischen über zwei Jahre her.
Rhodan schaute aus dem Fenster, das, nur von innen durchsichtig, hinaus in den dicht bewachsenen Park ging. Anfangs hatte er dem bewusstlosen Gucky immer etwas erzählt – was gerade in der Welt draußen passierte, wie sie vorankamen mit ihren Forschungen und Plänen ... und wie leid ihm alles tat.
Im Koma zu liegen bedeutete nicht zwangsläufig, dass der Patient einen nicht hören konnte, das wusste Perry Rhodan, und die Ärzte wurden nicht müde, ihm das auch immer wieder zu versichern. Dass das Koma nach wie vor eines der großen Rätsel der Medizin sei, erst recht das Koma eines psi-begabten Mutantenhirns. Es gab ein riesiges medizinisches Fachgebiet, die Paraneurologie, die sich – in Zusammenarbeit mit Hyperphysikern, die über sechsdimensionale Phänomene forschten – mit nichts anderem beschäftigte als mit den Zusammenhängen zwischen neuronalen Strukturen und parapsychischen Fähigkeiten.
Die Aras, nach wie vor bemüht, ihren Vorsprung in der galaktischen Medizin zu behaupten und wenn möglich auszubauen, investierten Milliarden in dieses Forschungsgebiet; luden Mediker aus allen bekannten Sternenreichen – selbst aus untereinander verfeindeten; Ärzte sahen sich über niedere Zwistigkeiten erhaben – zu Kongressen ein und so weiter und so fort. Auch Andessou Bouring, Guckys behandelnder Mediker, war vor einiger Zeit zu so einem Kongress abgereist, die aktuellen Messwerte seines »Patienten G.« im Handgepäck, um sich mit Kollegen darüber auszutauschen.
Was alles nichts daran änderte, dass Rhodan nun hier saß und um das Leben eines seiner ältesten Freunde und Weggefährten bangte.
Abgesehen davon, dass er sich schuldig fühlte an Guckys Schicksal. Gewiss, er hatte es nicht ahnen können. Das hatten sie ihm alle gesagt, und er versuchte, es zu glauben. Gucky, der Überall-zugleich-Töter, der Retter mehrerer Universen, der mächtigste lebende Multimutant ... aus was für aussichtslosen Situationen hatte er sich nicht alles schon gerettet, mit einem kühnen Teleportersprung, durch Einsatz seiner telekinetischen Fähigkeiten oder indem er die Gedanken eines Widersachers gelesen hatte! Die haarsträubendsten Abenteuer hatten bisweilen so ausgesehen, als seien sie für Gucky, den Mausbiber mit dem einzelnen Nagezahn, nur ein gemütlicher Spaziergang.
Und dann das: Der Mond war wieder aufgetaucht, auf unheimliche Weise verändert, auf bedrohliche Weise gegen alle Versuche, sich ihm zu nähern, abgeschirmt. Sie hatten sich mit einem Raumschiff dem genähert, was man später Repulsor-Wall getauft hatte, und Rhodan hatte zu Gucky gesagt: »Probier doch mal, ob du da runterteleportieren kannst.«
Einfach so. Nebenbei. Wie man einen Servo beauftragt, einem eine Tasse Tee aus der Küche zu bringen. Es war vor allem die Erinnerung an die Selbstverständlichkeit, mit der er Gucky losgeschickt hatte, die Rhodan das Herz im Leib zusammenpresste.
Gucky hatte fröhlich »Na, klar doch!« gekräht, mit einer kurzen Handbewegung seinen Raumhelm geschlossen und war mit dem üblichen »Plopp!« verschwunden.
Um vier Sekunden später an genau derselben Stelle wieder aufzutauchen und ohne einen Laut in sich zusammenzubrechen.
Seither lag er im Koma. Man hatte erst am darauffolgenden Tag, bei der routinemäßigen Überprüfung des Raumanzugs, aus dem man den Ilt geschält hatte, festgestellt, dass dessen interne Uhr um genau diese vier Sekunden nachgegangen war! Der Mausbiber hatte irgendwo vier Sekunden verloren, aber niemand wusste, wie und wo und was das alles mit seinem Koma zu tun hatte.
Rhodan hörte, wie hinter ihm jemand leise hereinkam, und drehte sich um. Wie erhofft war es Andessou Bouring, der Mediker.
Das Auffallendste an Bouring war das Oberlippenbärtchen, das er sorgsam pflegte – sein Markenzeichen sozusagen – und dessen Enden er im Gespräch gern zwirbelte, wenn er nicht wusste, wohin mit den Händen. Ansonsten wirkte er nicht im Mindesten wie die medizinische
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