PR 2701 – Unter der Technokruste
Entfernung, um sich nicht zu verraten.
»Kannst du ihre Gedanken empfangen?«, fragte Toufec.
Die Telepathin eilte an einer Technogirlande vorbei, die sich in mehrfacher Mannshöhe einige Male verzweigte und eine Art umgekehrten Trichter aus acht Säulenbeinen formte, die im Abstand weniger Meter im Boden versanken. Der direkte Weg hätte sie mitten durch das Gebilde geführt; eine Vorstellung, die sie unwillkürlich schauern ließ.
»Sicher«, antwortete Shanda. »Wenn ich mich konzentrieren und sie anpeilen kann! Sie legt ein Höllentempo vor, was es nicht gerade einfacher macht.«
»Dazu hat sie wohl auch allen Grund«, meinte Toufec trocken. »Der überlebende Onryone wird garantiert nicht zimperlich sein, falls er sie in die Hände bekommt. Fragt sich nur, ob er damit recht hat oder nicht.«
Shanda stutzte, während sie gemeinsam um ein Gebäude eilten. Dahinter gähnte ein mehrere Meter abfallender Krater in der Straße. Die flüchtende Terranerin hatte ihn bereits passiert. Als sie ihn überflog, entdeckte Shanda etliche Technokrautsträucher in der Tiefe. Die Pflanzen-Technologie-Hybriden bewegten sich, rollten teilweise übereinander, als versuchten sie, die Kraterwand zu erklimmen. Wahrscheinlich saßen sie schon länger darin fest; welche Geschichte wohl dahintersteckte?
»Was meinst du damit, Toufec, ob der Onryone recht hat?«, fragte die Telepathin mit leichter Verzögerung; der seltsame Anblick hatte sie zu sehr abgelenkt.
»Wenn diese Frau eine Terroristin ist, die zudem einen ... sagen wir, einen möglicherweise ehrbaren Agenten getötet hat, ist sie ...«
»Vergiss es!«, unterbrach Shanda. »Ich habe einige ihrer Gedanken gelesen. Was sie vorhat, ist kein Terror-, sondern ein gezielter Sabotageakt, um die Unterdrücker zu behindern. Sie ist nicht allein, und sie will die Kunstsonne sabotieren. Für sie ist es ein Akt der Auflehnung gegen die Onryonen.«
»Und du glaubst ihr?«
»Hey, sie lügt mich nicht an. Sie weiß nicht mal, dass ich da bin und ihre Gedanken lese ...«
»Aber dass sie selbst davon überzeugt ist, heißt nicht, dass es sich um die objektive Wahrheit handelt.«
Shanda hob die Schultern. »Wir werden es herausfinden. Jedenfalls wird die Zerstörung der Kunstsonne die Onryonen hart treffen. Sie mögen kein Kunstlicht, wenn ich es richtig interpretiert habe. Es bereitet ihnen Schmerzen. Deshalb greifen sie auf diese biolumineszenten Kreaturen zurück, deren Helligkeit sie besser ertragen können.«
Endlich blieb die flüchtende Terranerin stehen, direkt an der Ecke eines Gebäudes, geschützt durch einen bogenartigen Vorsprung unter einer Brücke, die sich über die Straße spannte. Sie schaute sich um, musterte auch die Anzeige eines kleinen Geräts, das sie in den Händen hielt, wahrscheinlich ein Orter. Sie wirkte den Umständen entsprechend ruhig, schien nichts von ihren Beobachtern zu bemerken.
»Viel taugen ihre Schutzvorkehrungen offenbar nicht«, kommentierte Shanda. »Wir stehen keine zwanzig Meter entfernt.«
»Unter Pazuzus speziellem Schutz.«
»Auch der Onryone könnte über einen Deflektor verfügen.«
»Wahrscheinlich weiß sie über die Möglichkeiten ihrer Gegner genau Bescheid.« Toufec winkte ab. »Aber viel wichtiger: Was denkt sie, Shanda?«
»Sie wartet«, antwortete die Telepathin bestimmt. »Auf ihre Freunde. Sie hat ihren Teil der Arbeit erledigt.«
»Also die Sabotage vorbereitet?«
»Korrekt. Ihr Name lautet Quinta Weienater, ich habe es eben deutlich empfangen.«
»Sie hat ihren Namen gedacht?«
»Das ist schwer zu beschreiben«, stellte Shanda klar. »Telepathie ist nicht wie ein Buch lesen. Es ist ... komplizierter. Warte.« Sie drehte sich um. »Jemand nähert sich.«
»Der Onryone?«
»Es sind menschliche Gedanken. Ihre Freunde.«
»Das Sabotageteam.«
»Hm«, machte Shanda abwesend. Gemeinsam beobachteten sie, wie zwei Männer herbeirannten; ebenfalls Terraner und genau wie Quinta Weienater unter dem Schutz von Individualschirmen.
Toufec formte per Sprachbefehl aus Pazuzus Nanogenten-Material eine winzige fliegende Beobachtungssonde. Weil der Schwarm diese Bauform kannte, dauerte es nur wenige Augenblicke, dem Befehl nachzukommen.
Die Sonde schwirrte los. Nach weiteren Sekunden konnten die beiden Beobachter per Funkübertragung hören, was die drei Saboteure besprachen.
»... bereit«, beendete der eine gerade einen Satz.
»Dann erledigen wir es und verschwinden von hier«, sagte Quinta Weienater. »Zwei Onryonen haben
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