PR 2702 – Das positronische Phantom
ist fast eine Art Schwester von dir, Pri. Ich habe mitgeholfen, YLA entstehen zu lassen. Sie ist meine Zweittochter, verstehst du? Obwohl ich nur im Hintergrund tätig war, hat meine jahrelange Erfahrung mit dem Mondgehirn sehr geholfen. Die Onryonen können auf YLA nicht zugreifen. Sie ist unsere Enklave, versteht ihr?«
»Deshalb habt ihr NATHANS Tochter erzeugt?«, fragte Pri, während ihre Mutter immer weiter in sich zusammensackte, die Ellenbogen auf die Knie stützte und das Gesicht in den Händen vergrub. »Weil ihr dem eigentlichen Mondgehirn nicht mehr vertraut?«
»Antonin ist ein Narr, dass er unseren Feinden Zugriff auf NATHAN gestattet hat!«
»Feinde, Golo?«, klang es erstickt zwischen Tameas Händen hervor. »Hörst du dich überhaupt selbst reden? Antonin mag naiv sein, und er ist hartherzig geworden in den letzten Jahren, aber du bist noch schlimmer! Dein altes Misstrauen frisst dich doch auf! Du hast dich kein bisschen verändert!«
Der Vorwurf schien wirkungslos an Golo abzuperlen. »Wir sitzen auf Luna in der Falle! Die Onryonen bauen unsere Heimat zu etwas Grauenvollem um!«
»Umbauen?«, fragte Pri, die plötzlich begriff, wie lange sie bereits über diese Dinge nachdachte. Stundenlang grübelte sie abends darüber nach, wenn Loolon seine schönen Melodien summte und das letzte Stück ihrer angeblich heilen Kindheit bewahrte. »Du meinst, mit dem Techno-Rhizom?«
»Es bedeckt inzwischen fast acht Prozent der gesamten Mondoberfläche!«, ereiferte sich Golo. »Wusstet ihr das? Ach nein? Hat Antonin es euch nicht gesagt? Vielleicht, weil er den tausend Ausflüchten der Onryonen glaubt? Oder weil er sie höchstpersönlich erfindet?«
»Die Onryonen bauen das Reportal«, sagte Pri, ohne selbst davon überzeugt zu sein. »Das ist doch kein Geheimnis.«
»Kein Geheimnis«, meinte Golo, »aber eine Ausrede. Habt ihr in den letzten Monaten mal Bilder von der Onryonen-Seite des Mondes gesehen?«
»Du meinst, von ihrer Stadt in ...«
»Ich meine, von ihrer Hälfte! Lunas gesamtes Antlitz verändert sich! Es ist ein dunkler Albtraum, der sich über der Landschaft immer weiterfrisst und alles bedeckt. Unsere Bauwerke werden überformt und unterwandert. Dort entsteht etwas Neues. Technische Baldachine über riesigen Flächen. Segel aus Metall hängen sich auf, das Gestein in den Tiefen wird verdampft, und es entstehen nie gesehene Fabriken und Kavernen.
Sie bauen Höhlen und gewaltige Wohnflächen für die Aufnahme von Millionen, nein, Milliarden Individuen! Und wer wird das sein? Sagt es mir! Wer?«
»Du übertreibst«, sagte Tamea, klang aber nicht so, als glaube sie sich selbst.
Golo kaute einen Augenblick auf seiner Unterlippe. »Die Werften unter onryonischer Kontrolle produzieren Waren, die YLA für Waffen hält.«
Pri schauerte.
Ihr zweiter Vater erhob sich. »Ich muss jetzt gehen. Sie suchen mich. Sie dürfen mich nicht hier finden. Haltet euch von Antonin fern.«
»Er ist mein Vater!«
Golo nickte. »Das ist er. Aber er ist auch ...«
»Ich will es nicht hören!«
»Gibst du mir für einen Moment den Summzwerg?«, fragte Golo.
»Was willst du mit ihm?«
»Bitte.«
Pri ging in ihr Zimmer und kam kurz darauf mit Loolon zurück. Sie reichte ihn an Golo.
Dieser hielt ihn in Händen, drehte ihn, als suche er tatsächlich Trost bei dem Kleinen. »Es kommt die Zeit«, sagte er, »und das schon bald, in der die Menschen auf Luna nur noch eine untergeordnete Rolle spielen werden. Weiß jemand von euch, wie viele Onryonen inzwischen auf dem Mond leben?«
Beide schüttelten den Kopf.
Golos Hände nestelten weiter an dem Streichelzwerg. »Weil niemand die Zahl kennt. Doch ich kenne Bilder der neuen unterirdischen Städte. Und ich sage euch, dass die Onryonen nicht alles sind. Es gibt ganz andere Wesen auf Luna!«
»Du bist ...«
»Ich bin sicher! Aber ich kann es nicht beweisen. Noch nicht. Und jetzt muss ich gehen.« Er stand auf, ließ Loolon liegen.
»Werden wir uns wiedersehen?«, fragte Pri.
»Ich hoffe es.«
»Und was wird aus dem Mond? Wie bauen die Onryonen ihn um?«
Golo schüttelte nur den Kopf und hastete aus dem Raum, als seien tausend Feinde hinter ihm her.
*
Zwei Tage später gab Antonin Sipiera eine Meldung an die Medienanstalten auf Luna weiter. Die Onryonen suchten einen flüchtigen Massenmörder, der mit allen Mitteln dingfest gemacht werden musste.
Sein Name lautete Golo Sipiera.
1540 NGZ (Lunare Zeit)
Die Kämpfe begannen am 2.
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