PR 2702 – Das positronische Phantom
sich selbst fühlte. »Seit wann jagen sie mich?«, fragte er, wie er es mehrmals am Tag fragte. Seine Krankheit ließ ihn um Jahrzehnte älter erscheinen, als er tatsächlich war.
»Länger als mich«, sagte Pri, und sie lächelte. »Weil du schlauer warst als ich und die Onryonen viel früher durchschaut hast.«
»Schlauer?«, fragte Golo, und einen Augenblick leuchtete Verstehen in seinen Augen auf, ehe er aufs Neue mit seiner ewigen, schmatzenden Bewegung begann. »Schlauer als du? Wer bist du überhaupt?«
Loolon saß neben dem Kranken und schickte sich gerade an, ihm zum ungezählten Mal den Speichel vom Kinn zu wischen, als Pri dazwischenging. Sie tat es selbst, beugte sich über den Mann, der sie nicht mehr erkannte, und küsste ihn auf die Stirn.
Ein Piepsen signalisierte ihr, dass eine Anfrage einging; wie so oft. Der Widerstand wollte ohne sie einfach nicht funktionieren. Golo hatte Strukturen aufgebaut, damals, aber sie waren während der Kämpfe zerfallen, und alles war am Ende gewesen, als Pri die Macht übernommen hatte. Nicht, weil sie es gewollt hatte, sondern weil die Menschen auf jemanden wie sie gewartet hatten. Jemanden, der bereit war. Und sie war es.
Immer noch.
Wegen ihr lebte der Widerstand noch immer, mehr als zwanzig Jahre nach ihrem Amtsantritt. Was spielte es da für eine Rolle, dass eine neue Zerreißprobe bevorstand? Sie wollten Informationen beschaffen und NATHAN schützen, sie bereiteten Sabotageakte vor ... aber vielen genügte das nicht mehr. Der Ruf nach Radikalität wurde laut. Nach brutaleren Überfällen auf die Onryonen, um es ihnen heimzuzahlen.
»Ach Pri«, sagte Golo plötzlich, als sie sich von ihm löste. »Wir haben so auf dich gewartet, mein kleines Mädchen. Grüß deine Mutter und deinen anderen Vater von mir. Ich freue mich, wenn ich heute Abend von meiner Arbeit bei NATHAN zurückkomme. Es ist doch schön, dass wir eine Familie sind, oder?«
»Natürlich, Papa«, sagte Pri. »Natürlich.«
Das letzte Wort hörte er nicht mehr. Pri küsste ihn noch einmal; ein letztes Mal. Dann verließ sie den Raum, um sein Vermächtnis fortzuführen.
*
Zwei Jahre später aktivierten die Onryonen das Reportal, aber anders, als die Onryonen es vor Unzeiten versprochen hatten. Luna kehrte als Waffe in der Hand von Feinden der Menschheit in die Milchstraße zurück.
Und Pri Sipiera machte sich bereit, die nächste Phase des Widerstands einzuleiten.
8.
22. Juni 1514 NGZ
Perry Rhodan hatte Pri Sipiera aufmerksam gelauscht. Als sie endete, erhob er sich und neigte kurz den Kopf als Geste des Respekts.
»Ich danke dir«, sagte er. »Sich gegen die Onryonen zu behaupten, die die Gutgläubigkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen gegen die Bewohner des Mondes wendeten, und deren Technologie ausgesprochen merkwürdig bedrohlich wirkt, ist eine starke Leistung. Der Lunare Widerstand kann sich glücklich schätzen, an seiner Spitze eine solch umsichtige und engagierte Persönlichkeit zu haben.«
Ein vorsichtiges, fast gequältes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Du brauchst nicht zu übertreiben. Mein individuelles Verdienst ist gering – andere brachten größere Opfer für unsere Sache. Zumal ich das meiste aus dem Bauch heraus entscheiden oder mir Rat bei meinen engsten Vertrauten einholen muss. Auf diese Aufgabe war ich denkbar schlecht vorbereitet.«
»Niemand hätte dich darauf vorbereiten können. Und es ist nichts Schlimmes daran, auf die Kenntnisse von Spezialisten zurückzugreifen. Aber wir sollten jetzt ...«
Aus dem Nichts fügten sich vor ihnen Scherben zu der Fläche zusammen, in der YLAS Angesicht spiegelte.
»YLA hat Informationen von NATHAN, von den Onryonen.«
Fionn Kemeny, der die ganze Zeit über nur ruhig dagesessen hatte, schoss förmlich in die Höhe. Die Pause schien ihm gutgetan zu haben. Seine Medo-Einheit, die im Halbstundentakt Zwischenberichte an Rhodans SERUN übermittelte, hatte bereits eine signifikante Verbesserung seines Gesundheitszustandes festgestellt. Die Rückkehr von NATHANS speziellem Avatar setzte im Wissenschaftler zusätzliche Kräfte frei.
»Das freut mich zu hören«, sagte Rhodan. »Habt ihr einen Weg gefunden, wie wir uns von Luna zurückziehen können?«
»In etwa vierzig Stunden wird das onryonische Schiff PYTUU von Luna Space Port aus starten. Das Schiff wird die Barriere durchstoßen und sich mit anderen onryonischen Raumern zu einem Verbund zusammenschließen.«
»Welchen Auftrag hat die PYTUU?«,
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