PR 2702 – Das positronische Phantom
dominanteste davon hatte mit einem Mutanten zu tun, der im Jahr 1288 NGZ kurz für Aufsehen gesorgt hatte.
Kummerog, der »Mutant der Cantrell«, hatte sich alle paar Wochen gehäutet. Diese Häute waren aber nicht abgestorben, sondern hatten als Ableger von ihm weitergelebt – sofern sie einen Wirt gefunden hatten, von dem und durch den sie sich ernähren konnten. Über diese Häute war der Mutant in der Lage, ihre Wirte ähnlich einem Hypno zu beeinflussen.
Die bekanntesten Träger von Kummerogs Häuten waren Atlan und Alaska Saedelaere gewesen, die sich aber beide gegen die Häute hatten behaupten können.
»Der springende Punkt ist, dass wir bei den Onryonen bisher keine Anhaltspunkte dafür gefunden haben, dass sie irgendwelche religiösen Handlungen durchführen«, erklärte Sipiera. »Ergo könnte es sich bei diesem Balg um einen Gegenstand handeln, der für sie von zentraler Bedeutung ist.«
»Reliquien und andere religiöse Kultobjekte sind für Gläubige ebenfalls von zentraler Bedeutung«, gab Shanda Sarmotte zu bedenken.
Pri Sipiera breitete die Arme aus. »Das ist uns durchaus bewusst. Womöglich ist bei diesem Gegenstand die Symbolik wichtiger als der Gegenstand selbst, ähnlich einem Kreuz oder einer Buddhafigur ...«
»... es wäre aber auch möglich, dass es sich bei diesem ominösen Balg um einen Gegenstand handelt, der für die Onryonen von funktioneller Bedeutung ist«, fuhr Rhodan ihren angefangenen Satz fort.
»Genau!«, sagte die Anführerin des Widerstandes. »Selbstverständlich hätten wir die Ressourcen, um mit einem gezielten Schlag den Tempel einzunehmen und diesen Balg zu bergen. Aber mein Gefühl sagt mir, dass du uns mit deiner Erfahrung in solchen Dingen von großem Wert sein könntest.« Sie blickte ihn konzentriert an. »Und vielleicht treffen wir ja die Onryonen darin am stärksten, wenn du den Balg mitnimmst, um von außen Druck auf sie auszuüben.«
»Könnte dieser Balg in Zusammenhang mit dem Atopischen Tribunal stehen?«
»Keine Ahnung.«
»Was weiß YLA respektive NATHAN über diesen Tempel und seinen Inhalt?«
Die dunkelhaarige Frau im Spiegel lächelte. »Von YLA hat der Widerstand erfahren, dass es diesen Tempel und den Balg gibt.«
»Ist ›Balg‹ die offizielle, von den Onryonen benutzte Bezeichnung für das Objekt?«
»Das ist nicht gesichert. Das Wort wurde einem Gespräch zwischen den Mitgliedern einer onryonischen Reinigungsequipe entnommen.«
Der Zellaktivatorträger kratzte sich am Kinn. »Dann könnte es sich auch um einen Slangbegriff handeln?«
»Diese Annahme ist zutreffend.«
»Besitzt du weitergehende Informationen zu diesem Balg?«
»Weder YLA noch ihr Vater zum aktuellen Zeitpunkt.«
Pri Sipiera strich sich durch das rote Haar. »Wirst du uns helfen, Perry?«
Er nickte. »Du hast mich neugierig gemacht. Ich bin dabei.«
Pri Sipiera atmete hörbar auf. »Dann schlage ich vor, dass wir zur Zentrale in der Beer & Mädler-Universität zurückkehren und uns dort auf die Operationen Tempel und Blinder Passagier vorbereiten.«
Der Zellaktivatorträger stimmte zu. Dabei sah er kurz in das Gesicht Fionn Kemenys, der YLA unverwandt anstarrte. Der Wissenschaftler schien es kaum abwarten zu können, mit dem positronischen Phantom in NATHANS Kernanlage zurückgelassen zu werden.
9.
22. Juni 1514 NGZ
Der gekaperte Warentransporter hatte sie zuverlässig entlang des River Mercer in Richtung Norden gebracht. Der Tempel der Onryonen befand sich in der Nähe des Clark G. Flipper Building, des ehemaligen Sitzes der Lunaren Administration.
Bei dem von den Onryonen errichteten Gebäude handelte es sich um einen Quader von 50 mal 42 mal 33 Metern. In ihm verbargen sich laut Orterdaten vier weitere Quader in denselben Proportionen, nur in kleinerer Ausführung.
Wie eine Matrjoschka-Puppe, dachte Rhodan. Nur ungleich massiver, drohender.
Das Technogeflecht hatte sich in mehreren Lagen wie ein verschlungener Garten um den grauen Klotz gewunden.
Rhodan blickte Shanda Sarmotte an. Die Mutantin hob die rechte Hand, zeigte alle fünf Finger, ballte die Hand zur Faust, um daraufhin drei Finger in die Höhe zu halten.
Das Wachpersonal im Tempel bestand aus acht Personen.
Obwohl Pazuzu die Energieemissionen ihrer Anzüge abschirmte, solange sie dicht beieinanderblieben, hatte Rhodan beschlossen, die Gravopaks vorerst nicht zu benutzen und den Funkverkehr so weit wie möglich zu reduzieren. Neben den Grundfunktionen der Anzüge waren nur die Deflektoren
Weitere Kostenlose Bücher