PR 2704 – Die Rückkehr der JULES VERNE

nicht erklären kann.«
    »Versuch es!«, verlangte Khosrau ungeduldig.
    »Die MORGIANA hat während des Polyport-Transports Substanz verloren, auf einer nicht wahrnehmbaren Ebene.«
    »Substanzverlust«, echote der TLD-Agent. »Gab es auch einen Zeitverlust?«
    »Warum möchtest du das wissen?«, fragte ANDEAU.
    »Ich habe das Gefühl, als wäre ich bestohlen worden. Als hätte mir etwas – oder jemand – einige Minuten meines Lebens weggenommen.«
    »Es sind mehr als Minuten«, meinte die Bordpositronik. »Die Polyport-Reise hätte sechsundzwanzig Minuten in Anspruch nehmen sollen. Aber es scheint so, als hätte der Transit zwölf Stunden und siebenunddreißig Minuten gedauert.« ANDEAUS Stimme klang mit einem Mal amüsiert. »Ach ja, das wollte ich noch sagen: Ich verliere die Kontrolle über das Schiff. Wir stürzen ab.«
    Ghiyas Khosrau schloss die Augen. Er wusste nicht, was er glauben sollte. War er in einem weiteren Albtraum gefangen, oder war dies die Realität?

4.
    Sichu Dorksteiger
     
    Die Solare Premier empfing sie mit höflichem Handschlag und geleitete sie ins Grüne Zimmer, das nur den engsten Mitarbeitern vorbehalten war. Cai Cheung wirkte erschöpft und gereizt gleichermaßen. Doch sie hatte sich gut unter Kontrolle wie immer.
    »Danke, dass du mich um diese Uhrzeit noch empfängst.«
    »Du hast mir keine Wahl gelassen.« Die Solare Premier lächelte und entblößte zwei ebenmäßige, perfekte Zahnreihen. Es war ein offenes Geheimnis, dass sie alles Mögliche unternahm, um ihr jugendliches Aussehen zu konservieren. Dazu gehörten auch genkosmetische Tiefenbehandlungen, die viel Geld kosteten. Darüber hinaus nutzte sie jede Gelegenheit, um an ihren Fitnessgeräten zu trainieren.
    »Ist der Raum sicher?«, fragte Sichu.
    »So wie kein anderes Zimmer im Solaren Haus.«
    »Dann lass uns über die beiden überlebenden Raumfahrer reden, die wir nach dem Überfall der Onryonen auf den Schiffskonvoi bergen konnten.«
    »Konntest du sie endlich befragen?« Cheung beugte sich interessiert vor.
    »Es war ein etwas seltsames Gespräch. Aber ich erfuhr einiges, was uns weiterhelfen könnte.« Sichu dachte an die Reise durch Tasso Cormacs Bewusstsein und Erinnerungen, die unter Zuhilfenahme der SEMT-Haube stattgefunden hatte. Sie war um eine Erfahrung reicher. Um eine, die sie sich manchmal wünschte, nicht gemacht zu haben.
    Der Kontakt mit dem Raumsoldaten war intensiv und intim gewesen und hatte sie an den Rand des Wahnsinns geführt. Sichu hatte Tassos Panik nachvollziehen müssen, als seine Sauerstoffvorräte immer weniger geworden waren. Und sie meinte, den Verlust seines rechten Beines zu fühlen. Der Phantomschmerz wollte nicht nachlassen.
    »Sag schon!«
    »Der überlebenden Frau gelang es, einen Datenkristall mit wichtigen Informationen zu retten. Eine Blackbox, die aus der HILDEGARD VON BINGEN stammt und den Überfall der Onryonen dokumentiert. Leider war sie gezwungen, den Kristall in einer Sensorboje auszustoßen, bevor sie sich selbst rettete.«
    »Das bedeutet?«
    »Es gibt eine reelle Chance, dass die Blackbox noch existiert. Und zwar irgendwo im Trümmerhaufen der vernichteten Raumer.«
    »Der mittlerweile mehr einem Trümmerschwarm ähnelt.« Cai Cheung schüttelte den Kopf. »Hast du eine Vorstellung, wie groß dieser Bereich eigentlich ist, den wir durchsuchen müssten, um einen winzigen Datenkristall zu bergen? Es handelt sich um mehrere Millionen Teile, die umhertrudeln. Möchtest du sie allesamt untersuchen lassen?«
    »Ja.«
    »Weißt du, was für einen Aufwand wir betreiben müssten?«
    »Selbstverständlich.« Sichu hatte sich jedes Wort genau zurechtgelegt, bevor sie sich auf den Weg ins Solare Haus gemacht hatte. Sie hasste es, schlecht vorbereitet zu sein. »Reden wir darüber, was dieser Kristall für einen Wert besitzt. So viel ich von der Raumfahrerin in Erfahrung bringen konnte, ist das Datenmaterial ausgezeichnet. Es enthält womöglich wichtige Informationen über den Angriff der Onryonen und vor allem über die Wirkungsweise der Linearraumtorpedos. Etwas, womit wir diese Gefahr studieren und neutralisieren könnten.«
    »Das Trümmerfeld hat derzeit einen Durchmesser von etwa hunderttausend Kilometern!«
    »Ich weiß.«
    »Hast du zumindest einen Hinweis bekommen, wo du suchen müsstest? Strahlt die Blackbox ein Signal aus, das wir orten können? Existiert eine Energiesignatur?«
    »Wir wissen, wo Cormac und Spiteri geborgen wurden, in den Resten der HILDEGARD VON BINGEN.