PR Andromeda 04 - Die Sternenhorcher
der Standardgestalt, berührt wurden. »Aber sie stellen doch keine Gefahr dar.«
»Das zu beurteilen überlässt du besser uns«, sagte der Offizier.
»Der Zivilist macht sich selten klar, dass es nur einiger gezielter Provokationen bedarf, und schon wird aus einer solchen Menge ein Mob. Zack, tauchen die ersten Zaunlatten auf, fliegen die ersten Steine, werden die ersten Fahnen verbrannt.«
Raye wollte gerade erwidern, dass sie als Zivilistin das Wohlergehen ihrer Patienten höher einschätzte als das Nichtverbrennen irgendwelcher Fahnen, als der Uniformierte hinzufügte: »Eine solche, wenn auch nicht gezielte, Provokation stellt deine weitere Anwesenheit dar.«
»Meine Anwesenheit!« Raye fuhr herum und funkelte ihn an. Er hielt ihrem Blick mit regloser Miene stand.
Sie sah zu dem Leiter in seinem Chefsessel. Der eigentlich blaugrünhäutige Gaid sah in der Dreivierteldunkelheit fast schwarz aus. Sein haarloser, gerade einmal faustgroßer Kopf wurde von einem einzelnen großen Facettenauge beherrscht, das leicht glitzerte. Die Mundöffnung unterhalb des vielleicht fingerlangen Schlauchhalses schien geschlossen zu sein.
»Ohne meine Anwesenheit hier wären noch Dutzende von Amputationen ohne anständige Schmerztherapie durchgeführt worden! Hunderte wahrscheinlich!«
»Wohl wahr«, sagte der Gaid. »Wenn auch zahlenmäßig übertrieben.« Er sah zu dem Offizier, legte den Kopf schief und rieb sich den Hals. »Wir sind hier leider ein bisschen weitab vom Schuss und freuen uns sehr über deine ... ähem ... Fortbildungsmaßnahme. Aber ich finde dennoch, du solltest gehen. Wenigstens vorübergehend, bis die Lage sich ein wenig beruhigt hat.«
»Klinikleiter«, sagte Raye und trat zwischen ihn und den Uniformierten. »Bei Dienstantritt hatte ich siebzehn Atto hier, die Gliedmaßen zur Transplantation spenden wollten. Jetzt sind es gerade noch sechs, die dazu bereit sind. Sechs Gestaltwandler, die genau das spenden können, was sechs Flüchtlinge heute brauchen. Ohne jede Gefahr von Abstoßungsreaktionen. Und du sagst mir, ich soll lieber gehen und morgen oder übermorgen wiederkommen?« Sie trat an seinen Schreibtisch, knipste die Tischleuchte an und stützte die Hände auf die Schreibunterlage. »Dann sag das mal den sechs Flüchtlingen, die ich heute noch operieren wollte. Zwei von ihnen sind noch keine zehn Jahre alt.«
Der Leiter starrte sie an. Raye sah ihr zorniges Gesicht in Aberdutzenden Augenfacetten gespiegelt. »Na los«, sagte sie. »Das möchte ich sehen.«
»Wenn dieses Spital erst einmal brennt«, sagte der Offizier hinten bei dem wahrscheinlich nur zu Dekorationszwecken dienenden Aktenschrank, »möchte ich dich sehen.«
Raye drehte sich nicht zu ihm um. »Das ist doch absurd. Die Atto zünden doch kein Spital an.«
»Die Atto haben eine enorme Gewaltbereitschaft«, sagte der Offizier. »Sie meinen es allerdings meistens witzig. Das lässt sie harmloser erscheinen, als sie sind.«
»Außerdem scheinst du dir nicht bewusst zu sein«, fügte der Klinikleiter hinzu und lehnte sich in seinem Chefsessel zurück, »dass dein Verhalten nach attorischen Maßstäben ungeheuerlich ist. Du hast ShouKi zum Bruch eines der wichtigsten Tabus überredet: niemals einer kopierten Gestalt etwas hinzuzufügen. Und jetzt stellst du diese Tabubrüche auch noch in Serie her. Nachdem ShouKi gestorben ist.«
»Da gibt es doch keinen Zusammenhang!«
»Sag das den Atto.«
Raye wartete einen Moment lang. »Ist das eigentlich noch Verdrängung oder schon partielle Amnesie, mein lieber Kollege?«, fragte sie dann.
»Verzeihung?«
Sie grinste böse. »Bis gestern warst du noch ganz begeistert von meiner neuen Methode.«
Er reckte den Schlauchhals. »In meiner Klinik werden jedenfalls bis auf weiteres keine Transplantationen nach Corona mehr durchgeführt«, sagte er spitz und löschte demonstrativ wieder das Licht. »Haben wir uns verstanden?«
»Absolut«, sagte Raye. Draußen erhob sich Geschrei.
Der Offizier eilte zum Fenster. »Der Terraner«, sagte er. »Was will der denn hier?«
Raye trat neben ihn. Sie entdeckte Rhodan erst, als sie schaute, in welche Richtung die leeren Blechdosen flogen. Der Terraner versuchte, um die Menge herum zum Eingang zu gelangen.
»ShouKi-Mörder! ShouKi-Mörder!«, skandierten die Atto. Rhodan duckte sich unter den Dosen hindurch. Ihn traf ein Stück Sahnetorte an der Schulter. Für ein, zwei Schritte prangte die Masse auf seinem blauen Anzug, dann fiel sie ab und ließ
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