Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel

PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel

Titel: PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
Vom Netzwerk:
beschleunigten Reflexe konnten ihn nicht retten. Der Kopfjäger erstarrte in der Bewegung, den Blick auf die spiegelnde Fläche gerichtet. Sein organisches Gehirn unterdrückte den Fluchtimpuls der Servos.
    Es war ein Spiegel aus Glas, wie ihn Takegath seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen hatte. Die Spiegel auf der KHOME TAZ waren HighTech-Objekte, raffinierte Kombinationen aus Feldschirmen und Hochleistungsrechnern, die dreidimensionale, beliebig wählbare Abbilder ihres Betrachters erschufen; semiintelligente Maschinen, die die Reaktionen ihres Besitzers aufzeichneten, analysierten und sich seinen Wünschen - seien sie bewusst oder unbewusst - beugten. Maschinen, die schmeichelten und logen.
    Der Glasspiegel war zu primitiv, um zu lügen.
    Takegath musterte das Gesicht, das ihm entgegenblickte. Das Abbild war seitenverkehrt. Seine mechanische rechte Hälfte hatte mit der organischen getauscht. Die verchromt wirkenden Metallteile spiegelten sich im grellen Licht der Korridorbeleuchtung. Hydrauliken und Zahnräder, Drahtverbindungen und Transmissionsriemen blitzten an Stelle von Muskeln und Sehnen. Takegath hatte sich oft gefragt, was AMBULANZ zu diesem Retro-Design bewogen hatte. War es eine Anspielung auf die primitive Technologie der Nimvuaner, denen er einst angehört hatte? Oder der Versuch, ihn zu immer neuen Besuchen bei AMBULANZ zu verleiten, bis er sich selbst in immer neuen Modifikationen verlor wie sein Stellvertreter Aph Kismati, der sich seines ursprünglichen Körpers nicht mehr entsinnen konnte?
    Seine Aufmerksamkeit wanderte zur anderen Gesichtshälfte. Sie war völlig haarlos, die hellrosa Haut glänzte wächsern. Ein einzelnes, lidloses Auge stand über der scharfkantigen Nase, die fast durchsichtig wirkte und statt eines Nasenlochs eine Vielzahl winziger Atemöffnungen an ihrer Unterseite aufwies. Die vollen, dunkelblauen Lippen waren fest aufeinander gedrückt.
    Der Kopfjäger las in beiden Hälften seines Gesichts dieselbe Emotion:
    Zweifel.
    Es brauchte einige Augenblicke, bis sich das Wort in seinen Gedanken formte. Er hatte es nicht vergessen, aber es war ein Begriff, den Takegath, seit er sich erinnern konnte, nur auf andere angewandt hatte, auf Feinde wie vermeintliche Freunde und Verbündete. Zweifel hatte sie straucheln und vergehen lassen. Takegath hatte ihr Ende verfolgt, manchmal, wenn ihm eine Person nahe gestanden hatte, mit einem Anflug von Trauer, meist, im Fall der Kopfjäger, die sich ihm in den Weg gestellt hatten, mit Genugtuung. Takegath hatte immer gewusst, dass er sie überdauern, sein Moment kommen würde.
    Und nun stand er vor einer einfachen Glasplatte und zitterte.
    Beruhige dich! Es ist nur das Droc!, dachte er und wusste zugleich, dass es nur ein Teil - und dazu in diesem Augenblick der unwichtigere -der Wahrheit war.
    Er hob den linken, organischen Arm. Das Glied wollte sich seinem Willen entziehen, aber er zwang es weiter, Zentimeter um Zentimeter. Take-gath hätte den Cyborg-Arm benutzen können, ja sogar die gesamte Kontrolle über seinen Körper und sein Denken dem elektronischen Taktikhirn überlassen können, doch er spürte, dass es eine hohle Geste gewesen wäre. Er musste sich selbst beweisen, dass er noch funktionierte.
    Er, Takegath, das Lebewesen, der Nimvuaner.
    Seit der KHOME TAZ vor einigen Tagen der Konvoi in Begleitung des terranischen Spürkreuzers entkommen war, hatte Takegaths organisches Gehirn die Oberhand an sich gerissen, beflügelt von der höchsten Dosis Droc, die er bis dahin geschluckt hatte. Sein Taktikhirn machte ihn zwar den übrigen Kopfjägern weit überlegen, aber es gab wenig um Gefühle -und Gefühle bedeuteten Takegath jetzt mehr als je zuvor in seinem Leben. Sie stiegen in ihm auf wie heiße Dämpfe, sammelten sich in seinem Innern und warteten auf den Zeitpunkt, an dem sie sich endlich entladen konnten.
    Der Arm hatte die Höhe des Spiegels erreicht. Der Kopfjäger zwang die Finger zu einer Faust und .
    Der stechende Schmerz, mit dem sich die Glassplitter in sein Fleisch bohrten, war eine Erlösung. Das Spiegelbild zerfiel, Scherben prallten klirrend auf den Boden. Takegath verharrte einige Augenblicke lang vor der nackten Korridorwand, an der lediglich einige Klebstreifen verblieben waren, und wartete, bis sein Puls sich wieder beruhigt hatte. Währenddessen zogen seine mechanischen Finger bereits die Scherben aus den Wunden, ein Reflex seines Taktikhirns, der ohne bewusstes Zutun ablief.
    Als der letzte Splitter gezogen war,

Weitere Kostenlose Bücher