PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel
sah sich suchend um, dann erspähte sie seine Quelle. Im Meer zwischen den Inseln waren weitere Schiffe aufgetaucht. Sie waren klein und wendig und operierten in kleinen Rudeln von fünf oder sechs Fahrzeugen. Sie hielten sich nicht an die etablierten Routen, sondern schlugen wilde Haken. Tess erinnerten sie an Vogelschwärme, die scheinbar führungslos hin- und herflatterten, es aber dabei auf unergründliche Weise immer schafften, in Formation zu bleiben.
»Das sind unsere Leute«, erklärte Bruno Thomkin.
»>Leute«
»Bildlich gesprochen. Eigentlich sind es Viren, die versuchen, das tefro-dische Intranet zu penetrieren.« Die Augen des Technikers glitzerten vor kindlicher Spielfreude. »Bin gespannt, wie sie sich halten. Meines Wissens ist es das erste Mal, dass Computerviren aus der Milchstraße auf hiesige Netze losgelassen werden.«
Die Schnellbootrudel hatten die endlosen Datenkonvois fast erreicht. Tess erkannte kleine Figuren, die auf den Decks hin- und herrannten und sich an Aggregaten zu schaffen machten. Du bist ein Spinner, Bruno Thomkin!, dachte sie, aber es war ein warmherziger Gedanke. Es waren Leute wie der Techniker, die selbst in diesen furchtbaren Zeiten die scheinbar unnötigen Kleinigkeiten, die das Leben ausmachten, nicht vergaßen, die ihr den Mut gaben, durchzuhalten.
Irgendwann, nährte es in Tess den Glauben, würde dieser Albtraum vorbei sein, und sie alle würden sich wieder ihren privaten, unendlich wichti-gen Nichtigkeiten widmen können.
Dann schlug das Intranet zurück. Torpedos lösten sich von den Konvois, schossen pfeilschnell auf Brunos Schnellboote zu. Die Männchen auf den Decks rannten noch hektischer hin und her, feuerten ihrerseits Torpedos ab, die auf die gegnerischen Geschosse zurasten. Die Rudel lösten sich auf, die Boote suchten ihr Heil in wilden Zickzack-Manövern.
Es nutzte nichts. Ein Schnellboot nach dem ändern verging, als die Torpedos des Intranets in sie hineinrasten. Einmal glaubte Tess, eines der Boote könnte einen Konvoi erreichen. Keine zwei Bootslängen trennten es noch von der Kette der Schiffe, als eine laute Explosion Brunos Fahrzeug zerriss.
»Schade«, seufzte Tess. »Ich hatte gehofft ...« Sie brach ab. »Aber dafür kannst du nichts, Bruno, du hast dein Bestes gegeben. Danke.«
»He, nicht so voreilig!« Thomkin grinste wie ein Junge, dem es gelungen war, aus den garantiert ungefährlichen Bestandteilen seines Chemiebaukastens einen gewaltigen Kanonenschlag zu basteln.
»Aber wieso? Deine Boote . ich meine, deine Viren sind vernichtet. Du hast es doch selbst gesehen!«
»Ts, ts, und so was nennt sich Wissenschaftlerin! Hat man dir im ersten Semester nicht beigebracht, sich niemals vom Feuerwerk blenden zu lassen? Das eigentlich Spannende ist nicht der Knall, sondern das, was zu ihm führt - oder sich in seiner Deckung abspielt.« Er betätigte die Tastatur. »Sieh dir das an!«
Das Bild zoomte heran und spulte zurück. Tess blickte auf ein einzelnes Schnellboot, das Haken schlagend durch die Wellen pflügte. Seine Besatzung sandte Abwehrtorpedos aus, dann begab sie sich zu den Rettungskapseln. Flimmernde Schirmfelder legten sich um die Kugeln. Sekunden später schlugen gleich zwei feindliche Torpedos in den Rumpf ein. Trümmer und glühende Gase schossen in alle Richtungen. Das Bild zoomte weiter heran, konzentrierte sich auf eine Rettungskapsel. Die Soldatin darin lachte triumphierend auf!
Mit einem lauten Platschen prallte die Kapsel auf das Wasser, tauchte unter und ploppte wie ein Korken zurück an die Oberfläche. Ein Schnellboottorpedo glitt heran, und das Schirmfeld erlosch. Mit zwei, drei kräftigen Schwimmzügen war die Soldatin an dem silbernen Metallkörper. Sie zog sich hinauf - und verschmolz mit ihm. Innerhalb weniger Sekunden morphte der schlanke, silberne Pfeil zu einem gedrungenen, roten Torpedo, wie ihn das Intranet einsetzte. Er nahm Fahrt auf und schlüpfte ungestört in den Konvoi ...
»Bingo!«, rief Bruno Thomkin. »Verstehst du jetzt, Tess? Die Schnellboote dienten nur der Ablenkung, ich hatte nie erwartet, dass so plumpe Viren wie sie durch die tefrodische Abwehr kommen könnten. Sie sollten nur eine Reaktion provozieren, uns verraten, welche Abwehrmechanismen uns erwarten. Kurz vor ihrer Vernichtung splitterten unsere eigentlichen Angreifer sich ab, Trojaner .«
»Trojaner?«, fragte Tess.
»Eine terranische Legende, würde zu weit führen, sie jetzt breitzutreten. Unsere Viren geben erfolgreich vor,
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