PR Ara-Toxin 04 - Die Eiserne Karawane
Ursache ihrer Gier nach dem Großen Spiel: Sie wissen nicht, was der Tod ist. Sie haben ihn verlernt. Infolgedessen wissen sie auch nicht mehr, was das Leben ist. Für sie ist alles nur noch Spielzeug im Großen Spiel.«
»Oh«, sage ich.
»Denk dir ein Volk, das diesem Volk gleich ist, aber älter, noch viel älter. Sie sind in gewissem Sinne die Vorfahren des verspielten Volks. Wir wollen dieses uralte Volk die Sharifen nennen.«
»Weil sie so heißen?«
»Weil weil. Die Sharifen haben, wie viele andere Völker auch, beizeiten Mittel und Wege gefunden, sich von allem Stofflichen zu lösen und auf Reisen zu gehen, auf Reisen, von denen du und ich uns keine Vorstellungen machen können. Leider waren nicht alle, nennen wir es: zum Aufbruch bereit. Und die, die zurückblieben.«
». begannen das Große Spiel«, errate ich. »Aber was habe ich mit diesem Großen Spiel zu tun? Oder wir Siccyi? Oder Oyloz?«
»Das weiß ich nicht«, gesteht sie ein. »Vielleicht war Oyloz einst ihr Spielfeld, ein winziges Segment des Spielfeldes. Vielleicht haben die Sharifen aber auch Oyloz als etwas anderes ausersehen.«
»Als was?«
»Als Tresor. Als Kerker für etwas, das nie mehr ins Leben zurückkehren darf. Für eine der Figuren, wie sie ihre Nachfahren erzeugt haben. Oder für ein ganzes Set dieser Figuren. Für etwas, das im Schachtmeer begraben liegen sollte.«
Ich spüre, wie mich Entsetzen packt, kalt und schier. Ich rufe: »Und begraben liegt für alle Zeit; sage das so: Und begraben liegt für alle Zeit!«
Sie lächelt dünn. »Und begraben liegt für alle Zeit. Auch wenn ich fürchte, dass dieser letzte Satz meiner Geschichte ein klein wenig gelogen ist.«
»Warum?«
»Weil sie, wie ich fürchte, wieder aufsteigen werden aus ihrer Gruft, Orontiu Pleca. Weil sie sich, um die Wahrheit zu sagen, bereits regen.«
»Das ist nicht gut.«
»Gut ist das nicht.«
»Kann ich es verhindern? Kann ich verhindern, dass das Ungute über die Welt kommt?«
Sie lächelt traurig. »Ich fürchte, das kannst du nicht. Du bist schon Teil des Spiels.«
»Dann ist alles verloren«, erkenne ich plötzlich.
»Du brauchst einen Bürgen. Ja, ein Bürge wäre gut. Ein Bürge, der nicht Teil des Spiels ist.«
»Wo soll ich einen solchen Bürgen finden?«
»Du wirst ihn erkennen.«
»In einem Traum?«
Sie lacht leise. »Glaubst du wirklich, du träumst in deinen Träumen, Orontio Pleca?«
Der unaufhaltsame Aufstieg der Midyacco
Das Schachtmeer brodelte und schäumte auf. Tifflor sah Orontio Pleca an, aber dessen Gesicht spiegelte völlige Ratlosigkeit wider. Das Meer warf einen Flitter aus, ganze Schauer von silbrig glitzerndem Konfetti. Es bildete Wirbel, stob auf, verteilte sich. Tifflor erkannte, dass es ein ganzer Schwarm winziger fliegender Fische war.
Der Schwarm orientierte sich und zog dann pfeilschnell über die Wasseroberfläche ab.
Tifflor spürte, dass die anderen Siccyi, die sich am Ufer aufhielten, unruhig wurden: die Fischer, die Forscher, die Touristen. Auch aus der kleinen Gemeinde, die in dem Konglomerat aus Zelten, Baldachinen, zweckentfremdeten Kesseln und ausgemusterten Waggons wohnte, strömten Neugierige ans Ufer, um das Naturschauspiel zu betrachten.
Von dem Tifflor nicht glaubte, dass es ein natürliches Phänomen war.
Eher aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass der Schienenstrang, der weit zu seiner Linken wie eine Parabel vom Boden abhob und kurz über der Wasseroberfläche unvermittelt abbrach, seine Farbe zu einem intensiveren Rot wechselte, als glühe er. Die Aufmerksamkeit des Terraners gehörte dem, was in diesem Moment aus dem Wasser stieg.
Die Geschöpfe waren riesenhaft, peitschten das Wasser mit ihren Extremitäten, wälzten sich oder staksten an Land. Sie erschienen ihm uralt, gleichzeitig aber wie neugeboren, Wesen, die sehr lange im eisernen Panzer der Zeit gesteckt hatten und ihre vielen Glieder nun zum ersten Mal wieder in die Gegenwart reckten. Sie barsten förmlich vor Kraft, vor Gewalt.
Ihre Leiber waren gewaltig, selbst in dem Moment schon, als sie an Land krochen.
Auf den ersten Blick erinnerten ihn die Wesen an ins Gigantische vergrößerte Seesterne. Aber das war nur eine grobe Annäherung, der Versuch seines menschlichen Gehirns, in dem Monströsen etwas Vertrautes zu entdecken, ein ordnendes Element, einen Anhaltspunkt.
Diese vage Ähnlichkeit währte nur so lange, bis sich die ersten der Kreaturen auf ihren Extremitäten aufrichteten und dabei ungeheure Muskelringe und
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