PR Ara-Toxin 05 - Die Trümmerbrücke
Trümmerlotse an die irreale Umgebung gewohnt, die ihn erwartete. Auch daran, dass sie jedes Mal verändert wirkte. Heute federte kein Moos unter seinen Füßen, vielmehr spürte Gorgi-des schroffen Fels unter den Stiefeln. Verwittertes, ausgewaschennes Kalkgestein, erkannte er, als er den Blick auf den Boden richtete.
Projektionen? Mentale Beeinflussung? Gorgides hatte es längst aufgegeben, die Wahrheit zu suchen. Er akzeptierte Igous Sicherheitsbedürfnis. So schnell, wie der Blue erschienen war, so schnell und problemlos konnte er sich wohl auch zurückziehen, falls ihm Gefahr drohte. Gorgides gestand sich ein, dass sogar er schon mit dem Gedanken gespielt hatte, dem Tellerkopf einfach seinen unerschöpflich scheinenden Vorrat des Dreiers abzunehmen. Aber das war lange her; längst hatte er akzeptiert, dass sein Sold als Trümmerlotse bei Igou landete.
Gorgides zerbiss eine Verwünschung zwischen den Zähnen. Er hatte nicht bemerkt, dass der feingliedrige Blue schon wieder verschwunden war. Wenn er jetzt weiterging, das wusste er aus Erfahrung, würde er schon nach zwei Schritten auf unüberwindbaren Widerstand stoßen.
»Igou!«
Sein Ruf verlor sich ohne Halleffekt. Es gab nichts, was Rückschlüsse auf die Umgebung ermöglicht hätte. Gorgides hätte sich nicht einmal darüber gewundert, wenn er sich wirklich nicht mehr auf der Trümmerbrücke befunden hätte. Vor dem HyperimpedanzSchock waren derartige Transmitterspielereien leicht machbar gewesen, inzwischen stand der hohe Energieaufwand dem entgegen. Zudem bargen normale Transmitter die Gefahr, dass man als Benutzer das Ziel überhaupt nicht mehr oder nicht lebend erreichte.
Einige Minuten lang trat Gorgides unruhig von einem Bein auf das andere, dann ließ er sich auf den Boden sinken. Die Perspektive veränderte sich für ihn. Er blickte nun über eine windgepeitschte, von ausgewaschenen Felsformationen geprägte Ebene hinweg. Vor ihm befand sich etwas wie ein Lagerplatz. Eine Mulde, in der vor Kurzem noch ein Feuer gebrannt hatte, denn die Asche qualmte noch. Daneben stand ein einfaches Essgeschirr.
Auf dem Topfrand balancierten Würmer. Gorgides würgte zwar, und eine unsichtbare Hand drückte seine Kehle zu, doch er konnte den Blick nicht abwenden. Aus dem Topf kletterten immer mehr Würmer nach oben. Sie waren grau, ziemlich fleischig, und Gorgides glaubte, ein leises Zischen zu hören. Der Topf war voll von ihnen.
Dunkel entsann sich der Lotse, gehört zu haben, dass die Tellerköpfe mit größtem Genuss lebende Speisen zu sich nahmen. Sein Magen rebellierte erneut, unter seiner Schädeldecke marschierte ein Haluterheer, und in dem Moment stand Igou wieder vor ihm. Zwei Kapseln des Eyemalin-Derivats wechselten den Besitzer, und Gorgides fragte sich, wie lange er das noch durchhalten würde. Aber schon schloss sich seine Rechte um die Kapseln, und alles war wieder gut. Für mindestens zwei Tage konnte das Leben in den gewohnten Bahnen weitergehen.
Gorgides sah den Blue mit spitzen Fingern in den Topf hineingreifen, ein gutes Dutzend der fetten Würmer herausziehen und sich in den Halsmund stopfen. Er hörte das Schmatzen des Tellerköpfigen -und von dem Moment an fehlte ihm die Erinnerung.
Irgendwie hatte er es dennoch geschafft, den Übergangssektor von Pfanne zwei in den Trümmersteg zu erreichen. Jedenfalls erwachte Ignats Gorgides nicht in einer stinkenden Ecke zwischen Schrott und biologischen Abfällen, weil vielleicht ein Reinigungsroboter im Begriff war, ihn aus dem Abfall hervorzuziehen - als sich seine Gedanken klärten, stand er mitten in dem Wohndeck.
Er achtete nicht auf die Tefroder, die ihm begegneten. Auf gewisse Weise, erkannte Ignats Gorgides, floh er inzwischen vor sich selbst.
Sein Kopfschmerz war wieder da und verschleierte seinen Blick. Sein Herzschlag raste, und der Puls dröhnte in seinen Schläfen.
Er war am Ende seiner Kraft, würde nicht einmal mehr Schlaf finden, wenn er keine neue Kapsel schluckte. Trotzdem verkrampfte sich seine Hand um die beiden Dreier.
Gorgides taumelte in seine Behausung, als sich die Tür öffnete. Die flackernde Beleuchtung ließ ein fürchterliches Durcheinander erkennen. Einen Moment lang stand der Trümmerlotse wie erstarrt da; er war nahe daran, sich einfach herumzuwerfen und vor sich selbst und seinem Leben zu fliehen. Doch wohin hätte er gehen sollen?
Mit zitternden Fingern fischte Gorgides das hermetisch verschließbare Glas aus dem Regal. Ein schwacher Hauch von Eyema-lin wehte
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