PR Ara Toxin 6 Der Unlichtplanet
Samtscharf. Er streichelte sanft über die Reste des anderen. »Das darfst du mir nicht verwehren.«
»Damit du eine neue Generation von Zatysken in der Trümmerbrücke aufwurzeln lässt?«, fragte Borkgründ. »Damit unsere Vordergeborenen all die Demütigungen genauso hinnehmen, wie wir es getan haben? Mit der vagen Hoffnung auf eine vielleicht glücklichere Existenz in einer selbst errichteten Kältestadt? Siehst du nicht ein, dass uns die Mehandor und Tefroder betrogen haben? Niemals werden sie sich um unser Wohl kümmern.«
»Alles wird gut«, hörte sich Samtscharf sagen.
Eine Pause entstand, in der die Bewegungen seiner Mannschwester immer weniger wurden. Gerüche schickte sie schon längst keine mehr aus.
»Meine Altinkarnierten meinen, dass ich. dir unter einer Bedingung helfen soll.«
»Und die wäre?«
»Such dir einen. neuen Platz, um zu wurzeln. Weit weg von allen Zweibeinern. Einen Ort, der jenem. ähnelt, von dem wir einstmals auszogen, der Faszination der Großen Kälte folgend. Erst dort darfst du. uns vermehren. Versprichst du mir das?«
»Wie soll ich das bloß schaffen? Deine Altinkarnierten fordern Unmögliches von mir!« Samtscharf war ganz auf sich gestellt. Die Wesen, die sich noch an Bord dieses Trümmerrests befanden, würden keinerlei Verständnis für seine Bitte zeigen. Noch niemals hatten sie sich für die Wünsche und Belange der Zatysken interessiert.
»Ich verspreche es«, sagte er dennoch und fühlte, wie ihm die Hauptwurzeln schwer wurden.
»Dann sei es so.« Borkgründs letzter verbliebener Arm führte Samtscharfs Hand zu einer vernarbten Stelle an seinem verunstalteten Restkörper. Er durchbrach das sperrige Gewebe des Leibes, griff in das Innere, zog einen winzigen Trieb hervor und reichte ihn weiter.
»Dies hier soll dein. neuer Brutbruder sein. Er trägt meine Erinnerungen in sich, und die unserer gemeinsamen. Vorfahren. Er wird dir helfen, die Geburtswurzelung zu überstehen. Achte auf ihn. und erfülle. dein Versprechen.«
Borkgründs Leib zog sich zusammen. Ein letztes, hauchdünnes Ächzen erklang. Der Geist verließ den Körper. Die Ahnen fingen ihn ein und betteten ihn zwischen sich. Die Mannschwester würde ler-nen müssen, mit ihrer neuen Existenz zurechtzukommen.
Samtscharf fühlte, wie glücklich seine Mannschwester nun war.
Und er?
Er würde die Reste des Trümmerstegs durchwandern und nach einem neuen Ort suchen müssen, an dem er dem Wunsch des verstorbenen Zatysken entsprechen konnte. Nur dann würde sich der kleine Trieb in seiner Forschhand öffnen und ihm neues Leben schenken.
Aset-Radol:
Vergangenheit
Die Vergangenheit war ein Ort, an dem sich Aset-Radol niemals wohlgefühlt hatte. All die Zeitreisen und Zeitschleifen, die den Meistern halfen, ihre Machtbefugnisse einzuzementieren - beziehungsweise erst einmal zu schaffen! -, brachten Risiken mit sich, über deren Konsequenzen er nicht nachdenken wollte.
Doch es geschah, weil es geschehen musste. Oder weil es schon geschehen war. Faktor I ließ ihn und die anderen darüber im Unklaren. Er wahrte seine Geheimnisse, blieb rätselhaft und bestimmte in weitestem Sinne über Aset-Radols Leben.
Doch wog dieser vergleichsweise geringe Preis seine unglaublichen Machtbefugnisse nicht bei Weitem auf? Immerhin war er der angehende Herrscher über eine ganze Galaxis. Mit Trinar Molat, Mi-ras-Etrin, Barim Nantor und den anderen gebot er über Karahol, die Große Insel.
Die Methanatmer waren besiegt und domestiziert. Andere Völker, die dem heimatlichen Volk der Tefroder den Rang als Führungselite hätten ablaufen können, waren vertrieben, vernichtet, in die Unbedeutsamkeit zurückgebombt worden.
»Sie träumen wieder einmal«, unterbrach Proht Meyhet seine Gedanken.
»Tun wir das nicht alle?« Aset-Radol zuckte mit den Achseln.
»Zu gegebener Zeit«, sagte der - scheinbar - ältere. »Aber nicht während einer Zusammenkunft. Konzentrieren Sie sich gefälligst!«
Meyhet setzte sich an den runden, aus einer riesigen Luftwurzel getriebenen Tisch und bat Aset-Radol mit einer Handbewegung neben sich. Er war ein herrischer Mann, der die Macht in vollen Zügen genoss und mancher Eitelkeit frönte. Hinter der hohen Stirn steckte ein gut funktionierender Geist. Liebend gern beschäftigte sich Proht Meyhet mit Kampfstrategien und Waffensystemen. Trotz aller Arroganz, die er in Streitgesprächen unter Beweis stellte, war er ein vielschichtiger, manchmal unorthodoxer Denker. Zudem hatte er eine
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