PR Kosmos-Chronik 02 - Alaska Saedelaere
wurde mit jeder Sekunde leiser.
Das injizierte Beruhigungsmittel wirkte schnell und zuverlässig.
3.
Wieder wechselten sich Licht und Schatten ab, ebenso wie die Stille und ein unruhiges Raunen. Alaska Saedelaere schaffte es nicht, sich auf einzelne Wahrnehmungen zu konzentrieren, das Konglomerat unterschiedlichster Eindrücke verschwamm unter seiner Schädeldecke wie die Wiedergabe eines schlecht justierten Funkempfängers.
Er taumelte auf dem schmalen Grat zwischen Trance und Wachen. In diesem Zustand nahm er zwar die eigene Hilflosigkeit deutlich wahr, brachte aber nicht genügend Kraft auf, sich dagegen zu sträuben. Noch glaubte er an einen Albtraum, aus dem er jeden Moment aufschrecken musste.
Wie viel Zeit verging, vermochte er nicht zu sagen. Ob Stunden oder Tage — es interessierte ihn kaum. Diese Begriffe hatten etwas seltsam Abstraktes, er kannte ihre Bedeutung, gleichwohl blieb er davon ausgenommen, als stünde ihm alle Zeit des Universums zur Verfügung.
Du bist mit Medikamenten ruhiggestellt, damit du keinen Schaden anrichten kannst, wollte ihm eine zynische innere Stimme einreden. In solchen Augenblicken sträubte er sich gegen die energetischen Fesseln, die ihn in steriler Umgebung festhielten, und schrie seinen Zorn hinaus. Niemand erlöste ihn von der Qual, von dem dann in seinem Gesicht tobenden Feuer, das ihn schier in den Wahnsinn trieb.
Die Anfälle kamen und gingen in unregelmäßigen Abständen. Alaska konnte sie nicht kontrollieren, ihm wurde nur zunehmend bewusst, dass er im ersten Moment wiedergewonnener Bewegungsfreiheit die Finger in sein Gesicht gekrallt und das tobende Fleisch herausgerissen hätte — egal, was danach mit ihm geschah. Die Fesseln hinderten ihn daran, sich selbst zu verstümmeln.
»Wie fühlen Sie sich heute, Mr. Saedelaere?«
Alaska schreckte auf. Er reagierte verwirrt und versuchte, die beklemmende Leere in seinen Gedanken zu überwinden.
»Wir bekommen einen schönen Tag«, fuhr die Stimme fort. Jedes Wort traf den Techniker wie ein Messerstich. Verbissen starrte er auf den blinden Helm. Warum aktivierten die Mediziner nicht wenigstens das Head-up-Display, damit seine Einsamkeit weniger erdrückend wurde?
»Für mich kein schöner Tag.« Der Widerspruch reizte Saedelaere. »Solange ich nur Ihr Versuchsobjekt ... «
»Es ist bedauerlich, dass Sie Ihre Krankheit so sehen. Warum igeln Sie sich ein und lassen niemanden an sich heran?«
Alaskas zynisches Lachen klang hart und rau und überaus unnahbar.
»Ich lasse niemanden an mich heran?«, echote er. »Wer hat mir diesen verfluchten Helm aufgesetzt? Seit drei Tagen warte ich, dass endlich jemand die Wahrheit sagt. Aber vermutlich hat keiner der Ärzte auch nur den Schimmer einer Ahnung.«
»Sieben«, berichtigte die Stimme, die Alaska Saedelaere keinem zuordnen konnte, den er in den wenigen nicht von Medikamenten umnebellen Stunden im Holodisplay gesehen hatte. »Seit sieben Tagen ignorieren Sie jeden Versuch einer Zusammenarbeit. Ihre Sturheit grenzt an Selbstverachtung, Mr. Saedelaere. — So kann kein gedeihliches Verhältnis zwischen uns entstehen. Wir würden Ihnen gerne helfen, aber Sie müssen sich selbst ebenfalls helfen wollen.«
Er hatte den Atem angehalten und stieß die Luft prustend wieder aus. »Sieben Tage? Wollen Sie mir das wirklich einreden? Welches Psychospiel treiben Sie?«
»Keines, Alaska. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich Sie Alaska nenne?«
»Machen Sie, was Sie wollen. Nur bringen Sie mich wieder in Ordnung!«
»Ohne Ihre Mithilfe ist das ein schwieriges Unterfangen. Offenbar wollen Sie sich nicht erinnern.«
»Da gibt es nichts ... « Das Zucken in Saedelaeres Gesicht wurde heftiger, als bewege sich etwas unbeschreiblich Fremdes unter der Haut.
»Was immer es ist, schneiden Sie das Ding weg! Worauf warten Sie noch?«
Horrorgeschichten kamen ihm in den Sinn. Von Tieren, die ihre Eier unter die menschliche Haut legten. Angeblich benötigte die schmarotzende Brut für ihr Heranwachsen Jahre, aber sobald sie die zu eng gewordene Kinderstube sprengte, war der ahnungslose Wirt dem Tod näher als dem Leben.
Alaska hatte nie darüber nachgedacht, ob man solche Medienberichte glauben durfte. Vielleicht waren sie nur die Ausgeburt phantasiebegabter Schreiberlinge, die eine Sauregurkenzeit überbrücken mussten. Erstmals fragte er sich, ob die Ursache seiner Veränderung auf Point of last return verborgen lag. Was, wenn er sich im Dschungel infiziert hatte
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