PR Lemuria 02 - Der Schläfer der Zeiten
verlassen. Keine noch so intensiven Schilderungen und Bilder ersetzen die Wirklichkeit. Die neue Heimat wird unsagbar fremd sein, Rasturi.«
»Wir werden uns an sie ebenso gewöhnen, wie es unsere Ahnen taten, als sie dem Ruf des Legendors ins Schiff folgten«, antwortete sie hoffnungsvoll. Er dachte schläfrig: der Planet? Wahrscheinlich voller tödlicher Gefahren: Sporen in der Luft, Keime und Bakterien im Boden, giftige kleine Tiere und mörderische Tierriesen. Planetarier, die uns verwunden und töten.
Kalymels Müdigkeit wuchs. Seine Gedanken zerfaserten. Das Gefühl der äußeren Sicherheit war für die Lemcharoys seit dem Start nicht geringer geworden; der Schutz einer metallenen Höhle voller Leben, das den Gefahren langer Jahre offensichtlich nicht gewachsen war, begann zu versagen.
Unsere Träume werden Albträume, dachte Kalymel. Im Metallkosmos des Schiffs, aus Gewohnheiten, Geheimnissen und beherrschter Technik zusammengesetzt, hatte sich ein bedenklicher Riss aufgetan. Er würde sich innerhalb der Frist bis zur Landung erweitern.
Nachdem die Leidenschaft abgeklungen war und er gähnend den Alkohol zu spüren begann, erkannte er: Wir werden vor dem ersten Schritt auf einem Planeten erschrecken. Jene unbekannte Welt wird viele Schiffsbewohner umbringen.
Die Bewohner des Schiffs lernten ihr theoretisches Wissen über zu-künftige Siedlungswelten schon früh und ebenso gründlich wie das Beherrschen der Technik und das Hegen der Sauerstoffpflanzen. Gleichzeitig fragten sich, so wie Kalymel jetzt, die Bewohner: Bisher hatte keine Zielvorstellung existiert. War der ausgewählte Planet so beschaffen, dass Lemurer auf ihm leben können? Oder war es eine Notlage, die der Naahk den Lemcharoys verschwiegen hatte? Vielleicht war es noch zu früh, und der Flug müsste eigentlich weitergehen? Wir haben mehr als genug Nahrung und Sauerstoff! Wir wissen aus den Gespinst-Daten, dass es Welten ohne Luft oder mit Oberflächen wie dem Inneren eines Vulkans gibt, andere mit giftigen, ätzenden oder verseuchten Atmosphären, eisklirrende Planeten und solche voller unsichtbarer Geister, die fremdes Leben aussaugen.
Bevor Kalymel einschlief, spürte er, dass Rasturi den Arm um seine Schulter legte und trank. Was er wirklich dachte, wollte und durfte er nicht aussprechen. Auch die gelegentlichen Vorstöße schwerkraft-abwärts zu seinem Geheimnis gingen Rasturi nichts an; die Kenntnis davon würde sie mitschuldig werden lassen.
Weiß ich, ob unser Naahk die OVIR wieder starten kann? Ich fürchte mich davor, dass die Leere des Planeten unsere Liebe beendet. Denn jeder Weg, den wir nicht gemeinsam gehen können, führt uns auseinander und - wohin? Viele haben ihre Parabegabung verloren... werden wir auf dem Planeten unser eigenes Ich verlieren?
Kalymel riss die Augen auf und lächelte. Rasturi beugte sich über ihn, küsste seine Halsgrube und stand auf. Mit wenigen Handgriffen zog sie sich an. Als sie das Hemd über Kopf und Schultern gleiten ließ, gewann Kalymel wieder die Herrschaft über seine verwirrten Gedanken.
Die lange Bremsphase bot genug Zeit, alles genau zu überdenken und richtig zu reagieren. Kalymel, technischer Spezialist, verordnete sich eine Denkpause.
Als Kalymel etwa einen Tageszyklus später seine Überlegungen geordnet und mit hundert oder mehr Lemcharoys geredet und seine Aufregung gedämpft hatte, knisterten erneut die Lautsprecher. Die Stimme des Unsterblichen war zu hören. Aus jedem Wort sprachen gefestigte Gewissheit und die Absicht, die Lemcharoys zu beruhigen.
»Die Schwerkraft-Absorber sind eingeschaltet und hochgefahren. Signale und Ergebnisse der Fernortung sind mittlerweile so genau, dass jeder von uns das Planetensystem auf dem Bildschirm betrach-ten und alle Informationen abrufen kann, über die das Gespinst verfügt. Beim Hüter! Von Tag zu Tag wird die Menge der Daten zunehmen, und wir werden die Welt, auf der wir zwischenlanden, genau erkannt haben. Der Rat und ich haben den Planeten Mentack Nutai genannt. Es ist der fünfte Planet Ichests.«
Nutais Schicksal, dachte Kalymel. In jedem Quadranten erhellten sich die Bildschirme und zeigten nach kurzem Störungsblitzen einen rot leuchtenden Stern. Dann: nacheinander unterschiedlich große. Planeten, Planetenbahnen, Projektionen der Ekliptik, einige Monde und einen ausdrucksvollen Asteroidengürtel. Kalymel nickte zufrieden: Also arbeitete die Fernortung trotz der Datenräude noch zuverlässig! Die Abstände, in denen die Körper
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