PR Lemuria 02 - Der Schläfer der Zeiten
eingesetzt worden. Als sich die Schleusenpforte öffnete, verschwanden Kalymels letzte Zweifel, ob die beabsichtigte Landung sinnvoll oder eine Notmaßnahme war - oder beides. Die Fähre musste starten; er musste sie steuern. Die Sorge um das Überleben der tausend Bewohner des Schiffs und um die riesige technische Konstruktion selbst war größer als alle Unwägbarkeiten.
Er schaltete die Anzugversorgung ein und wartete. Die innere Platte glitt zur Seite, im kalten Hangar löste sich die Luft in einem schneeigen Wirbel auf. Der Pilot ging schnell auf dem schwarzen, dicken Belag zur Kanzel, klappte die Leiter aus und grinste kurz. Seit der letzten Überprüfung bewegte sich jedes Scharnier so leichtgängig wie erwartet. Er kletterte fünf Meter hinauf, öffnete die Luke, stieg in die Kanzel und wurde sich plötzlich bewusst, dass dieser simulierte Start der letzte Versuch vor dem endgültigen Wagnis sein würde.
In etwa 40 Tagen würden die Hangartore sich wirklich öffnen und er, Kalymel, würde mit all seinen Kräften das Gefährt voller Schiffsbewohner und Ladung durch Weltraum und turbulente Luft steuern und sicher landen.
Er schaltete die Energiezufuhr und die Heizung der Luftumwälzung ein, schob den Datenträger in den Abspielschlitz und führte Schritt um Schritt am Touchscreen die Startvorbereitungen durch. Er brauchte nur dreimal nachzusehen. Als er fertig war, warteten nur noch drei Schaltungen auf ihn: Öffnen der Hangartore, Energie auf die Triebwerke und Zündung der Steuerdüsen. Er vergewisserte sich, dass alle Stellmotoren, die Zündungssequenzen und die Triebwerkssteuerung ebenso wie die Maschinen, die das Ausfahren der Stützflügel besorgten, auf Knopfdruck arbeiteten. Die Tanks waren gefüllt, der Treibstoffvorrat sollte für vier Flüge reichen, ehe im Schiff nach getankt werden musste. Den Datenträger ließ er im Gerät zurück; er sicherte jede technische Einzelheit der Kabine und checkte selbst die breiten Gurte. Sie waren uralt, rissen aber nicht; die Schlösser klickten zuverlässig.
»Also. meine Fähre ist in Ordnung«, sagte er leise, bevor er den Helm schloss und die Luke aufstieß. Ein letzter Check: Kalymel kontrollierte die schweren Klammern, von denen die Landekufen festgehalten wurden. Auch ihre Lager glänzten vor schwarzem Fett, das an den Handschuhen kleben blieb.
Zufrieden verließ Kalymel den Hangar, schleuste sich zwei Decks tiefer in den luftgefüllten Bereich ein und löste den Helm vom Halsring des Schutzanzugs. Er verstaute sorgfältig den Anzug, blickte auf den Chronometer und sagte sich, dass die Zeit reichte, einen weiteren Versuch zu riskieren und zum Hauptladeraum vorzudringen. Nie war die Gelegenheit günstiger. Er holte tief Luft, dann wechselte er in den breiten, lichtlosen Korridor, der zum nächsten Quadranten führte.
Es war Kalymels 27-ster Versuch, dieses Geheimnis aufzudecken. Bisher war er stets an massiven Metallwänden gescheitert: Zunächst hatte er versucht, auf herkömmlichen, »legalen« Wegen zum Hauptladeraum Ost-Rot vorzustoßen. Er hatte es aus allen Richtungen versucht, aber sämtliche Korridore, Liftschächte oder Wartungsgänge waren durch massive Stahlplatten verschlossen. Es hätte Spezialwerkzeug gebraucht, um durchzubrechen - und der riesige Energieverbrauch hätte die Räte, andere Tenoy, Kontrolleinrichtungen des Gespinsts und den Kommandanten alarmiert. Kalymel hatte auch nicht gewagt, eine Luftschleuse zum All zu öffnen; schon die erste Schaltung hätte Systemalarm ausgelöst.
Er passierte das letzte Schott vor der Absperrung, bog in einen schmalen Gang ein, erklomm eine steile Treppe und befand sich in einer Werkzeugkammer. Es war totenstill. Kalte Luft drang durch die Löcher und Schlitze der Umluftanlage. Hier endete die Stromversorgung. Weiterführende Leitungen waren abgeklemmt und versiegelt. In der Rückwand zeigte sich, als Kalymel den Handscheinwerfer einschaltete, der Eingang zu einer Inspektionsröhre. Sechs faustgroße, vor Öl triefende Schrauben hielten eine Metallplatte. Am anderen Ende der Röhre, die von einem Quadranten zum anderen führte,
begann für Kalymel nach wenigen Schritten unbekanntes Gelände.
Ohne Mühe löste er fünf wuchtige eingeölte Muttern, die er bei seinem letzten Versuch gelockert und präpariert hatte, drehte die Platte hoch und klinkte den Sicherungshaken ein. Bis jetzt konnte er seinen Versuch als besonders gewissenhafte Inspektion erklären. Er spürte, wie sich sein Puls
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