PR Lemuria 02 - Der Schläfer der Zeiten
Quietschen und Rumpeln der Führungsschienen und Lager und das Heulen der Motoren ging im allgemeinen Lärm unter. Die Scheinwerfer flackerten.
»Alle Haltenetze und Gurte schließen!«
Die Wirkung des Vakuums presste die Metallplatten der Einstiege in die Dichtungen. Das letzte Kontrolllicht auf Kalymels Pult erlosch. Krachend schlössen sich die Ventile der Luftversorgung. Die Atemluft, die ins Weltall entwich, verwandelte sich für kurze Augenblicke in wirbelnde Kristalle. Durch den Spalt der auseinander gleitenden Hangartore flutete grelles Sonnenlicht und beschrieb wandernd einen seltsam geformten Reflex an der Wand und auf dem Boden.
»Festhalten!«, brüllte Kalymel über die Sprechanlage. »Alle Gurtschlösser überprüfen!«
Der Kommandant zündete die Landungstriebwerke. Es hatte keinen Test gegeben, aber das Risiko schien sich zu lohnen: In die von der Prozesshitze der Nuklearmeiler glühend gemachten Triebwerke stießen mächtige Pumpen Teile des Wasservorrats. Hochgespannter Dampf trat an 15 Stellen der 126 Meter breiten Vorderfläche des Ringes entgegen der Flugrichtung aus. Die Partikelgeschwindigkeit war geringer als die Wirkung der Absorber, aber das Bremsmanöver dauerte länger.
Mitten in dieser Verzögerung hatten sich die Hangartore völlig geöffnet. Kalymel zog einen grellgelben Hebel. Die Klammern der Bodenhalterung wurden auseinander gesprengt, und die Zentrifugal-kraft schleuderte die Fähre waagrecht aus dem Hangar.
Als die gedrungene Konstruktion die Schnittlinie zur Hälfte passiert hatte, schien das gesamte Ringschiff zu kippen, sich aufzubäumen und seitlich aus dem Kurs auszuweichen. Ein urzeitliches Donnern erschütterte die stählerne Konstruktion der OVIR und pflanzte sich durch jeden Raum fort, der noch Luft enthielt. Das Rechteck der Öffnung verwandelte sich scheinbar in eine Raute, und die Fähre schlug mit irgendeinem Teil der Landestütze an die Kante der Öffnung. Dann war die OVIR EDANA draußen und begann sich langsam zu drehen und ins Trudeln zu geraten. Unter den Fenstern der Kanzel breitete sich die riesenhafte Oberfläche des Planeten aus. Einen Moment lang sah Kalymel die Krümmung des Horizonts - oder war es die Lufthülle, die sich vor dem Schwarz des Alls diffus abzeichnete?
Die vier Stutzflügel klappten nach vorn und rasteten ein. Der nächste Blick überwältigte ihn. Zum ersten Mal in seinem Leben versank er im Anblick des wahren Sternenhimmels mit seiner Pracht aus unzählbaren fernen Sonnen, leuchtenden Nebeln und Dunkelwolken. Glücklicherweise musste er sich diesem überwältigenden Bild nicht hingeben, denn die Fähre wurde herumgedreht. Kalymel erkannte die zwei Teile des Schiffs. Zwei Teile? Die Fähre sackte schwer durch. Schreie und Flüche gellten durch die Lautsprecher. Kalymel schaltete sie ab und gab vollen Schub auf sämtliche Triebwerke.
Er starrte durch die Scheibe und sah Staub und Felstrümmer nach allen Seiten davon wirbeln, sich mit den riesigen Dampffontänen aus den Bremstriebwerken der »Hoffnungsstern« mischen. Die OVIR war von einem riesigen Steinbrocken getroffen worden, und im Ring fehlte ungefähr ein Fünftel. Kastenförmige Elemente und unglaublich verformtes schwarzes Metall wirbelten umher. Aus dem Wirrwarr schoss eine zweite Fähre wie ein Schemen hervor und jagte auf den Planeten zu.
Das herausgebrochene Stück des Schiffs war im rechten Winkel aus dem Kurs davon geschleudert worden und wurde rasch kleiner. Noch immer rotierte schlingernd der Ring, in dem ein Abschnitt fehlte, und unverändert wurde das Wasser der Tanks in weißen Dampf verwandelt.
Kalymel fing die Fähre ab und schlug, als sich die Fluglage stabilisiert hatte, einen Kurs zur Mitte der riesenhaften, unüberschaubaren Planetenfläche ein. Trümmer umschwirrten ihn, und er glaubte, den im Sonnenlicht strahlenden Gesteinsboliden zu erkennen, der sich, ebenfalls von Trümmern und Fetzen umschwirrt und verfolgt, schnell entfernte, auf den dunklen Teil des Alls zu.
Die Dampffontänen rissen ab, alle fast gleichzeitig. Die Vorderseite der Arche lag jetzt waagerecht zur Planetenoberfläche und schien nicht nur schneller zu rotieren, sondern sich innerhalb ihrer unvollständigen Ringform zu biegen, zu verdrehen. Alles geschah fast lautlos und mit geisterhafter Langsamkeit. Kalymel betrachtete die Vorgänge mit kaltem Entsetzen. Er hielt, was er sah, nicht für wirklich, für einen weiteren Albtraum. Die Fähre fiel mit schwer erkennbarer Geschwindigkeit dem
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