PR Lemuria 02 - Der Schläfer der Zeiten
kletterte die Leiter hinunter. Er stand bis zu den Knien im eigenen Schweiß. Er zitterte am ganzen Körper, bis zu den Fingerspitzen. Er sah sich halb blind, begriffsstutzig, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, in der neuen Umgebung um und half dann, ebenso gedankenlos, Rasturi die Leiter hinunter. Als sie neben ihm stand und zum Sprechen ansetzte, erschütterte ein dumpfes Krachen die Luft, und der Boden unter den Füßen bebte schwach.
Kalymel sah hinüber zum Wald, der wie eine grüne Mauer stand. Die Insassen des Passagierraums kamen schwankend, mit aschgrauen Gesichtern, vom Erbrochenen beschmutzt und verwirrt die Leitern herunter und starrten die zerbeulte und versengte Haut der Fähre an.
»Wir sind gelandet«, würgte Kalymel taumelnd hervor. »Und wir werden nie, niemals wieder von Mentack Nutai starten. Aus. Ende. Seht euch um und tut irgendwas Sinnvolles.«
Eisige Schwäche erfasste seine Knie. Er griff nach einer Strebe, rutschte langsam zu Boden und saß, dem Tode näher als einem neuen Leben, auf dürrem Gras, das auf magerem Sand wuchs. Der erste bewusste Atemzug machte ihn fast besinnungslos. Er gähnte, kippte zur Seite und fühlte nicht einmal mehr Rasturis Hände an seinem Gesicht.
Verzweifelte Schreie rissen ihn hoch.
Die Fähre hatte sich inzwischen geleert. Die Insassen standen tau-melnd im verbrannten Gras und starrten in den Himmel. Kalymel und Rasturi hoben die Köpfe und sahen lange, weiß glühende Rauchbahnen, die aus dem blauen Himmel und aus den Wolken herunter zuckten. Fadendünne, leicht gekrümmte und einige dicke Spuren, vor denen Kalymel dunkle Punkte zu erkennen glaubte. Sie fürchten das helle, weit gesprenkelte Blau mit den rauchenden Zeichen von endgültiger Vernichtung. Kalymel murmelte verzweifelt: »Das sind die Trümmer unseres Schiffs.«
Er lehnte sich gegen die rußbedeckte Flanke der Fähre, deren Metall knackend abkühlte. Jedes Gesicht, das ihn anstarrte, war voller Furcht, Entsetzen und Ratlosigkeit. Kalymel nahm seine gesamte Beherrschung zusammen und versuchte einige vernünftige Gedanken zu äußern.
Alle Insassen hatten die Planetenfähre verlassen. Sie standen im Gras und zwischen niedrigen Büschen, starrten hohläugig in das Blau des Himmels und verfolgten mit verständnislosen Blicken, wie sich Wolken bildeten und dahintrieben. Leise, knisternde Laute kamen aus dem Pflanzengewirr, aus dem Wald drang Zwitschern und Knacken. Niemand sprach, einige weinten, andere betrachteten die ferne Brandung, den nahen Wald, atmeten verstört und gedankenlos die fremde Luft oder sahen sich ratlos um, als erwarteten sie ein neues Verhängnis. Einige Frauen hatten sich zu Boden geworfen und den Kopf in den Armen vergraben. Ihre Körper wurden von lautlosem Schluchzen geschüttelt. Eine Gruppe Männer mit fahlen Gesichtern stand wie paralysiert da. Die scheinbare Endlosigkeit der Landschaft und des Himmels verwirrte sie, zertrümmerte ihr unersetzliches Weltbild und verdrängte, wenigstens für kurze Zeit, die Schrecken der abgestürzten OVIR.
Kalymel nahm den Rest seiner klaren Überlegung zusammen, stand auf und ging zu Rasturi. Sie stand reglos im zertrampelten Gras und sah ihn an, als sei er ein Fremder. Er nahm ihre Hand, umarmte sie und spürte, wie sie zitterte. Plötzlich schlang sie die Arme um ihn, drückte sich an ihn und begann zu schluchzen.
Er strich hilflos über ihr Haar. »Wir leben, Liebes«, murmelte er. »Wir schaffen es. Ich weiß. alles ist erschreckend fremd. Hab keine Angst; ich bin bei dir.«
Wieder einmal vermochte er seinen eigenen Worten nicht zu glau-ben. Langsam zog er Rasturi in den Schatten der Fähre, deren Metall knackend abkühlte.
Die Sonne wanderte zwischen kristallweißen Wolken. Ein Schwarm seltsamer Geschöpfe mit langen Schwingen flog auf das Meer zu. Waren dies jene so genannten »Vögel?« Riesengroße Hummings? Die Zeit schien sich ins Endlose zu dehnen, während ein warmer Wind, der unbekannte Gerüche mit sich trug, aus dem Wald wehte und die Enden der Gräser bewegte, als streiche eine unsichtbare Riesenhand sanft darüber.
»Es werden nicht alle in der >Hoffnungsstern< tot sein«, sagte Ka-lymel schließlich, nach einer kleinen Ewigkeit aus Betäubung und Erstaunen darüber, dass er lebte und die Umgebung ihn nicht umzubringen begann. »Versuchen wir, erst einmal die nächsten Tage zu überleben. Ich schlage vor, wir holen alles Brauchbare aus der EDANA. Vielleicht wird sie wieder starten können. Steht nicht
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