PR Lemuria 02 - Der Schläfer der Zeiten
dünne Rauchfäden hinter sich her. Der Ringrest der OVIR, es war nur noch kaum mehr als ein Drittel, drehte sich langsam, ebenfalls mit ersten Abbrenneffekten, in eine aerodynamisch beeinflusste stabile Absturz-Fluglage. In einem der systemauswärts treibenden Teile fand eine zweite Nukleardetonation statt, Hunderte von Kilometern entfernt.
Eine wirre Überlegung flackerte durch Kalymels Kopf: Wir hätten Lumena und Cada kein Raumbegräbnis geben müssen. Amias und Loris sind soeben in versiegelten Kunststoffröhren eingeäschert worden. Verdammt! Sternenstaub...
»Beim Hüter!«, rief Rasturi. Sie weinte und schluchzte ungehemmt. Macaire blieb mit geschlossenem Raumhelm scheinbar ruhig und prüfte durch Probeschaltungen den Zustand der Fähre. Kalymel klappte den Helm nach vorn, ließ den Dichtungsring einrasten und regelte die Versorgung mit zwei, drei schnellen Bewegungen. Die Sicht verschlechterte sich, da der transparente Kunststoff vergilbt war. »O Legendor! Wir werden alle sterben. Wären wir doch.«
»Wir leben!«, rief Kalymel trotzig. Der Schrei löste seine innere Verspannung. »Und wir landen weich. Das gilt auch für euch im Passagierraum.«
Er erwartete keine Antwort.
Die Planetenfähre flog irgendwie parallel zu dem Hauptteil der Arche, aber tiefer und einige Kilometer voraus. Kalymel verrenkte sich fast, als er den Halbring mit Blicken suchte. Die tiefer vorausfliegende Fähre war jetzt erwartungsgemäß in einen lang gezogenen Feuerkokon gehüllt, schien aber keine darüber hinausgehenden
Schwierigkeiten zu haben.
Der Halbring glühte an jedem Vorsprung, an jedem Stück Metall, das durch Zerstörung auf gekrümmt war und jetzt, phantastische Funkenketten verstreuend, abzuschmelzen begann. Rauch, Flammen, Dampf und brennende Gegenstände, vielleicht Erde der Hydroponiken, Reste von Wasser, alles Brennbare, das aus den stählernen Wunden der Arche herausgeschüttelt wurde, begleiteten glimmend und glühend den Absturz. Langsam bildete sich vor dem hervortretenden Teil der Rundung ein Feld ionisierter Gase. Funkverkehr?,, fragte sich Kalymel. Unmöglich. Jeder, der noch lebt, hat Sinnvolleres zu tun. Auch ich.
Die Bilder der entsetzlichen Vorgänge würden ihn später durch stundenlange qualvolle Träume verfolgen. Er bremste wieder und sah in seiner Sturzrichtung die weiße, schäumende Fläche eines kreisförmigen Wolkenwirbels. Das letzte Bild, das er wahrnahm, ehe der annähernd stromlinienförmige Metallkörper für lange Minuten in der brennenden, blitzenden, sonnenheißen Hülle verschwand und jeglicher Kontakt zur Außenwelt verloren ging, ließ ihn hoffen.
Zu den nie geklärten Geheimnissen der Schiffs-Konstrukteure gehörte die Überlegung, ob der Kommandant über eine zusätzliche Rettungs- und Sicherheitszelle verfügte. Jetzt sah Kalymel - als ob das noch wichtig gewesen wäre! -, wie sich ein stumpfer Zylinder aus der Vorderseite des Ringes löste, vermutlich durch eine diskrete Detonation aus dem Schacht hinausgeschossen wurde und sich blitzartig in ein System aus Ballons und hervorschnellenden Stabilisierungsflügeln hüllte.
»Guten Flug, Atubur Nutai!«, murmelte Kalymel.
Ungefähr eine Stunde lang kämpfte Kalymel mit der Atmosphäre, der Technik der bockenden Planetenfähre, mit den Triebwerken und seinem Unvermögen. Er wechselte zwischen Schwebeflug und Bremsphasen ab und hatte nicht einen Wimpernschlag lang das Gefühl, über sich hinauszuwachsen, aber - ohne es zu wissen oder gar zu sehen - er umrundete eineinhalbmal den Planeten, hatte noch immer viel Treibstoff übrig und schaffte es, die Landestützen einzuziehen und in einem überaus flachen Winkel aufzusetzen, offensichtlich an einem Meeresstrand oder am Rand eines riesigen Binnensees.
Die krachend aufschlagende Fähre verschwand in einer riesigen
Gischtfontäne, wurde dreimal vom Wasser hochgeprellt, die Triebwerke spieen Flammen und Rauch, gewaltige Wasserfontänen und prasselnder Tropfenschwall hüllten die EDANA ein, und schließlich rutschte sie bockend, kippend und mit grauenvollem Knirschen und Kreischen mehrere hundert Meter über einen Sandstrand bis zum Rand eines Waldes.
Ruhe.
Stille.
Schweigen.
Kalymel zwang sich, den Indikator einzuschalten und zusammen mit Macaire die Luftzusammensetzung analog zu dem Medium zu vergleichen, das sie seit der Geburt atmeten. Dann erst öffnete er seinen Helm, den Anzug Rasturis und die Schotte der Fähre.
»Wir leben«, sagte er, stieß die Luke auf und
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