PR Lemuria 02 - Der Schläfer der Zeiten
Keine adlige Herkunft hatte ihm den Weg zur Flotte geebnet, keine reiche Familie seine Karriere befördert. Echkal hatte gelernt, dass man zuweilen moralisch zwielichtige Handlungen tätigen musste, um sich zu behaupten. Das galt für Individuen ebenso wie für Völker. Es konnte gar nicht anders sein, als dass die Terraner ebenso dachten und handelten. Woher sonst sollte ihre Übermacht entspringen?
Nur. mussten sie dazu auch noch Heuchler sein?
Ihre aufgesetzte Freundlichkeit trieb ihn zum Wahnsinn. Wieso bekannten sie sich nicht offen zu ihren Methoden und Zielen?
Und ausgerechnet der größte Heuchler unter den Terranern war in seine Kabine gezogen, auf Veranlassung Jere von Baioys, der das für einen großartigen Witz hielt. Jetzt war es zu spät, die »Geisel« hatte es sich häuslich in seiner Kabine eingerichtet. Doktor Hartich van Küs-pert, der Hyperphysiker von niederem Adel; cer Küspert eigentlich. Mit seiner unsachgemäßen, uniformfernen terranischen Freizeit-Kleidung. Ebenso wenig hoch gewachsen wie leider auch er, Echkal. Dieser Schein-Adlige hatte sich doch nur gemeldet, um an Bord der LAS-TOOR Spionage zu betreiben.
»Aber die Zeit des Versteck-Spielens ist bald zu Ende! Dafür sorge ich!« knurrte der Ma-Techten der LAS-TOOR. Als seine Blicke durch die Zentrale glitten, beruhigte er sich ein wenig: Überall perfekte Sauberkeit! Hochwertig zuverlässige akonische Instrumente und Einrichtung; alles sah aus wie fabrikneu.
Die Situation zerrte und zehrte an den Nerven aller Besatzungsmitglieder. Im hohen Orbit umkreisten sie den Planeten wie dessen drei Monde in endloser Wiederholung. Und Maphan Jere von Baloy tat nicht das Geringste, um diesen Zustand zu ändern, sondern schlief oder trainierte schwitzend seinen beneidenswert langen Körper, trug gebrauchte, zerknitterte Overalls; Zeichen einer nachlässigen Berufsauffassung, die er, Echkal, nicht zu teilen vermochte.
»Ich zeige es dir, Jere von Baloy!«, flüsterte der Erste Offizier. »Und euch dort drüben!«
»Dort drüben« bedeutete weniger als eine Lichtsekunde Abstand. Beide Schiffe befanden sich auf ihren Bahnen gerade noch im normaloptischen Bereich und nahmen fast gegenüberliegende Positionen ein; die PALENQUE glich für den akonischen 215-Meter-Kugelraumer ständig einem winzigen, aufgehenden Mond. Die terranische Kommandantin hatte etwas von strahlenden
Wesen gefaselt, die beiden Schiffen die Antriebsenergien geraubt hatten. Eine irrwitzigere Lüge hätte sie sich nicht ausdenken können! Zugegeben, die Orter der LAS-TOOR waren funktionsuntüchtig, er hatte keine Möglichkeit, ihre Behauptung zu überprüfen, aber das war auch nicht nötig. Es war offensichtlich, dass die Terranerin sie zum Narren hielt.
Der Ma-Techten drückte den Finger auf ein Tastfeld. »Zwei Neehlak sofort in die Zentrale!«, schnarrte er.
»Sofort«, antwortete eine träge Stimme unwillig. Es dauerte lange, bis zwei Raumfahrer aus verschiedenen Eingängen die Zentrale betraten. Der Ma-Techten winkte sie zu sich her. »Geht sofort in meine. in die Kabine unserer terranischen Geisel. Sofort hierher bringen! Noch während dieser Umkreisung. Ich halte ihn auf, und. die Kabine untersuchen. Gründlichst!«
»Selbstverständlich, Ma-Techten.« Hintereinander gingen sie ohne sonderliche Eile gemeinsam durch ein Schott. Immerhin. Den Schlaf des Maphan wollte cer Lethir nicht stören. Noch nicht. Noch war der Zeitpunkt nicht gekommen, dem Kommandanten offen die Stirn zu bieten. Erst mussten noch weitere Besatzungsmitglieder die Wahrheit über die Terraner erkennen. Dann konnte er handeln, das Kommando übernehmen und den terranischen Raumer nach Drorah schleppen lassen. Eine Untersuchung würde seine Vermutungen bestätigen.
Echkal cer Lethir wartete ungeduldig, kontrollierte die Energieversorgung des Schiffes und erhielt die gleichen Rückmeldungen wie bisher: Die vorhandene Restenergie reichte nicht einmal aus, um die LAS-TOOR zu beschleunigen. Lediglich Echkal cer Lethirs Herzschlag beschleunigte sich.
Die Raumfahrer kamen zurück, in ihrer Mitte ging der Terraner. Als er cer Lethir sah, kam er auf ihn zu und streckte die Hand aus. »Ich habe mich schon gefragt, wann ihr endlich auf meinen wissenschaftlichen Rat zurückgreifen wollt«, sagte er in verbindlichem, leicht dozierendem Tonfall. »Ich muss dir aber leider sagen, dass ich für eine rasche Änderung der Situation vorläufig keine.«
»Spar dir deinen schönen Worte!«, sagte cer Lethir schneidend.
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