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PR Lemuria 04 - Der erste Unsterbliche

PR Lemuria 04 - Der erste Unsterbliche

Titel: PR Lemuria 04 - Der erste Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Lukas
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Viecher hätten uns mitsamt der Linse den Garaus gemacht. Du hast uns gerettet, Boryk. Danke.«
    »Schönen Dank aber auch«, knurrte Hayden Norwell. »Mein Schädel fühlt sich an, als hätte mir der Zahnarzt bis hinauf ins Mesezephalon gebohrt.«
    Der Lemurer strahlte dennoch übers ganze Kindchengesicht, obwohl ihn seine Gurten halb strangulierten. Solina schloss die Augen, ließ die Luft aus ihren Lungen, wischte sich Tränenflüssigkeit von den Wangen. Ihre Knie schlotterten. Mit welcher instinktiven Botschaft auch immer Boryk die Biester verscheucht hatte - die Intensität seines mentalen Ausbruchs hatte die Leute in der Kabine ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen, und das trotz der Psiso-Netze unter ihren Helmen. Nur der mentalstabilisierte Perry war dagegen gefeit.
    »Wird schon wieder!«, munterte er seine Passagiere auf. »Nächste gute Nachricht: Ich konnte soeben Kontakt zu unserem halutischen Freund herstellen.«
    Icho Tolot bedauerte die Havarie seines Schiffes. Ihn hätte brennend interessiert, wie stark es im Rahmen der Raumgefechte und bei der anschließenden Bruchlandung beschädigt worden war, und ob es jemals wieder in der Lage sein würde, die Weiten des Weltalls zu durchstreifen. Aber die Klärung dieser Fragen musste derzeit zurückgestellt werden. Es gab Wichtigeres. Erste Priorität hatten Perry und die Besatzung des Beiboots. Und dann...
    »Du wirst verstehen, Ichos«, hat er gesagt.
    In dieser Anrede lag ein Hinweis verborgen. Haluter verhielten sich gegenüber anderen Intelligenzwesen, auch ihrer eigenen Art, im Allgemeinen sehr distanziert. Das schlug sich in ihren Umgangsformen nieder, die von höflicher Reserviertheit geprägt waren. Nur ganz engen, langjährigen Freunden wurde eine gewisse Intimität zugestanden, was sich darin äußerte, dass man an deren Nachnamen die Silbe -os anhängte. Es galt als große Ehre und höchste Stufe der Vertraulichkeit, von einem Haluter mit beispielsweise »Rhodanos« angesprochen zu werden, und diesen im Gegenzug »Tolotos« nennen zu dürfen.
    Eine informelle Verwendung des Vornamens aber war nur in einem einzigen Fall gestattet: vom Älteren gegenüber dem blutsverwandten Jüngeren; oder, wie die Terraner gesagt hätten, vom Vater zum Kind.
    »Ichos«, hatte er gesagt, der andere in der Space-Jet. In - aller Wahrscheinlichkeit nach - derselben Space-Jet, mit welcher der Hüter vom Eisplaneten Mentack Nutai geflohen war. »Ichos« - als wäre er Tolots Elter. Dies hätte auch die fast hundertprozentige Gleichartigkeit der äußeren Erscheinung und der Stimme erklärt. Allerdings lebte Icho Tolots unmittelbarer Vorfahr seit Jahrtausenden nicht mehr. Haluter waren autogame Wesen. Die Entstehung eines Embryos und die folgende Geburt eines Kindes führten sie durch Kontrolle ihrer Körperfunktionen bewusst herbei. Dies geschah ausschließlich, wenn sie spürten, dass ihr eigener Tod nahte, oder wenn ein Angehöriger ihres Volkes überraschend verstorben war. Denn seit sich die letzten 100.000 Haluter, 37.500 Jahre vor Beginn der Alten Terranischen Zeitrechnung, auf den Planeten Halut zurückgezogen hatten, hielten sie ihre Bevölkerungszahl stabil. Das hatten sie damals, kurz nach ihrer Befriedung, geschworen, und dabei waren sie bis heute geblieben.
    Wenn also der Hüter, der völlig überraschend mit der entwendeten Space-Jet eingegriffen und die HALUT vor der Totalvernichtung bewahrt hatte, ihn trotzdem »Ichos« nannte, obgleich er unmöglich sein Elter sein konnte - was wollte er ihm auf diese Weise mitteilen?
    Dass er zwar nicht sein Elter, jedoch sehr wohl sein Älterer war? Nicht sein leiblicher Vorfahr, sondern... eine Art älteres Ich?
    Und warum drückte er sich so verschlüsselt aus?
    »Du wirst verstehen, Ichos. Mehr darf ich nicht sagen, da ich nicht mehr gesagt habe.«
    Falls in die Vorgänge um die Sternenarchen eine Zeitschleife involviert wäre... Haluter waren gegenüber Zeitexperimenten seit eh und je negativ eingestellt. Sie glaubten nicht an ein Weiterleben nach dem Tode. Weder hofften sie auf endlose Seligkeit, noch fürchteten sie ewige Verdammnis. Die unter Humanoiden häufig anzutreffende Vorstellung eines allmächtigen Gottes jagte ihnen genauso wenig Schrecken ein wie die eines diesem ebenbürtigen, doch merklich aktiveren teuflischen Antagonisten. Wenn es eine Nemesis gab, vor der sie ihre Brut warnten, dann diese:
    Zeitparadoxon.
    Tolot der Ältere hatte Tolot dem Jüngeren ein Ziel gegeben, und zugleich eine Erklärung.

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