PR Lemuria 04 - Der erste Unsterbliche
Maahks.
Diese einschneidenden Kränkungen hatten den aufgrund ihrer langen Geschichte durchaus berechtigten Nationalstolz der Akonen für lange Zeit in eine Art von kollektivem Dünkel umgewandelt. Sie betrachteten in ihrer Überheblichkeit über Jahrtausende hinweg andere Völker als minderwertig, insbesondere die Arkoniden und Terraner, in denen sie Emporkömmlinge sahen und deren Leistungen sie nicht anzuerkennen bereit waren. Zudem hatten die wiederholten Niederlagen die Selbstfixiertheit der akonischen Kultur und ihre noch auf die Erfahrung des Bestienkrieges zurückgehende Neigung zur Isolation bestärkt. Im Gegensatz zu anderen Milchstraßenvölkern beschränkten sich die Akonen lange Zeit überwiegend auf ihr Heimatsystem.
Wir haben zwar eine beachtliche Zahl von Kolonien gegründet, rief sich Aykalie von Taklir in Erinnerung, hauptsächlich zur Rohstoffversorgung, haben diese aber gegenüber anderen Völkern streng geheim gehalten. Was vor allem dadurch begünstigt wurde, dass unsere Welten nicht durch Raumfahrtsrouten in Kontakt miteinander standen, sondern durch die hoch entwickelte Transmittertechnologie, zu der andere interstellare Reiche der Milchstraße lange Zeit keinen Zugang hatten.
Isolation und Geheimhaltung. Akonische Schlüsselwörter, fundamentale, wenn nicht fundamentalistische Werte, die ihnen über die Jahrzehntausende in Fleisch und Blut übergegangen waren.
»Traue keinem Akonen!« Diesen Rat gab es als geflügeltes Wort in so gut wie jeder Sprache der Milchstraße. »Akonen lügen, wenn sie den Mund aufmachen, belügen sogar sich selber. Akonen legen Schminke auf und kleben falsche Wimpern an, bevor sie vor einen Spiegel treten.«
Und stimmt es denn nicht?
Wusste sie denn in ihrem Innersten, weshalb sie ihre eigenen An-gehörigen bespitzelte? Sie verriet ihren Ehemann Jars genauso wie ihren Liebhaber Achab, verriet ihren Großvater Mechtan um nichts weniger als das Energiekommando. Dem sie zwar brav und regelmäßig Bericht erstattete - wobei sie aber geflissentlich ausließ, was ihr als ihrem eigenen, solitären Spiel abträglich dünkte. Sie verriet ihre Ausbildung und Liebe zur Kunst, indem sie diese als reinen Vorwand missbrauchte. Was sie hingegen wirklich bezweckte, wirklich anstrebte, sich wirklich wünschte, das verriet sie niemandem. Nicht einmal sich selbst.
Im Zusammenhang mit der Politik der Zurückgezogenheit und der räumlichen Beschränkung stand seit Urzeiten der Trend zu einer geringen Bevölkerungszahl. Dadurch waren die Akonen im Vergleich zu anderen bedeutenden Mächten der Milchstraße stets ein sehr kleines Volk geblieben. Derzeit lebten auf Drorah nicht viel mehr als eine Milliarde Akonen.
Und wie? Gut isoliert, dachte Aykalie gallig, einen regional für einige Jahre recht berühmten Barden namens Hayn ta Ling paraphra-sierend: Wir sind alle gut isoliert jeder und jede so grausam Einzelne, so grauenhaft Einsame von uns.
Immerhin hatte die reservierte bis feindselige Haltung der Akonen gegenüber anderen Nationen nur in den seltensten Fällen zu offenen Kriegshandlungen geführt. Splittergruppen wirkten immer wieder mal in Organisationen mit, die im Hintergrund gegen Arkon, Terra oder die USO agierten. Als berühmtestes Beispiel diente in den Geschichtsbüchern die so genannte »Condos Vasac«. Kurzzeitig veränderte die Erfahrung einer kollektiven Niederlage aller Milchstraßenvölker gegen das Hetos der Sieben die Haltung der Akonen und ermöglichte es ihnen, aktiv an der Gestaltung der GAVÖK und später des Galaktikums mitzuarbeiten, was mit einer gewissen Demokratisierung der akonischen Gesellschaft verbunden war. Aber später führte insbesondere das Wiedererstarken des Kristallimperiums dazu, dass sich die Akonen wieder überwiegend eigenen Interessen zuwandten und das Galaktikum lediglich zu deren Durchsetzung zu benutzen versuchten.
Was denken eigentlich momentan die Blues und die anderen im Forum Raglund zusammengeschlossenen Reiche über uns?
Nichts sonderlich Gutes, fürchte ich.
Mit der isolationistischen Politik ging jedes Mal wieder die Stabilisierung einer ständischen Gesellschaft einher, in der die Macht fast ausschließlich in der Hand der Aristokratie lag. Aykalie durfte sich als eine der obersten Zehntausend des Systems nicht ernsthaft darüber beschweren: Was sie war, was sich ihr für Möglichkeiten er-öffneten, verdankte sie in weit höherem Maße ihrer Herkunft denn ihren Begabungen. Und, typisch akonisch, ihrem Talent zu tarnen
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