PR Lemuria 04 - Der erste Unsterbliche
Stimmen allerdings vermeinte er zu hören, als er näher herangeschlichen war, auch die tiefen, dröhnenden der Riesen.
Und jetzt konnte er plötzlich verstehen, was sie sagten!
«...keine Angst vor uns zu haben, wir sind Freunde. Sogar in gewisser Weise Verwandte. Seht ihr, wir sehen ganz ähnlich aus wie ihr, sind nur doppelt so groß. Aber daran werdet ihr euch bald gewöhnt haben. Tretet näher, wir tun euch nichts. Ihr könnt uns auch gern berühren und betasten, wenn ihr wollt. Flößen euch unsere Raumanzüge Unbehagen ein? Wir würden sie ablegen, doch das dürfen wir leider nicht. Wisst ihr, ihr macht einen recht gesunden Eindruck; trotzdem könntet ihr Krankheitserreger an euch tragen, die für uns gefährlich sind. Später, wenn wir uns besser kennen gelernt haben, werdet ihr vielleicht erlauben, dass wir den einen oder anderen untersuchen. Aber wir wollen nichts überstürzen... «
Dann kam, was Boryk die ganze Zeit befürchtet hatte. Einer der Riesen fragte: »Sagt einmal, befindet sich unter euch jemand, den ihr Naahk oder Naahkin nennt? Vielleicht lebt er oder sie ja nicht hier im Dorf, sondern anderswo, dort oben zum Beispiel?«
Und eine helle Stimme, die er als die einer Enkelin Gujnars identifizierte, antwortete: »Unser Maffan und Majittri, und auch Matekten der Leute vom Berg, ist Boryk der Ewigjunge. Den müsst ihr fragen, der weiß alles!«
Ach! Er fand es ja schön, dass sie so stolz auf ihn war und so große Stücke auf ihn hielt. Aber musste sie das den Riesen-Schutzmännern unbedingt auf die Nase binden?
»Wo finden wir diesen Boryk?«
»Vor kurzem war er noch hier. Er ist zum Strand gegangen, glaube ich. Ihr seid doch von dort hergekommen, habt ihr ihn denn nicht gesehen?«
Und dann schnatterten gleich ein Dutzend Bewohner des Gartens
Ehedem durcheinander, prahlten mit Boryks Klugheit und Umsicht, rühmten seine Taten, beschrieben ihn und die Hütte, die er bewohnte, auf halbem Weg zwischen hier und dem vertikalen Dorf im Berg... Die Riesen hörten geduldig zu, fragten nur selten nach. Dass er viel länger lebte als alle anderen und überhaupt nicht alterte, schien sie allerdings brennend zu interessieren; auch sein Amulett ließen sie sich genauestens beschreiben. Es drehte sich also doch darum. Ganz, wie er vermutet hatte! Dennoch horchte Boryk auf; und je öfter die Riesen nachfragten, desto nachdenklicher wurde er. Verstellten sie sich, oder hatten sie tatsächlich nicht von vornherein über ihn Bescheid gewusst? Was sollte er bloß von alledem halten?
Wenigstens sah es derzeit so aus, als beabsichtigten die Schutzmänner nicht, irgendjemandem ein Leid zuzufügen. Sie übten auch keinerlei Druck auf die Dorf leute aus, waren sogar eher bemüht, diesen die Angst zu nehmen.
Sollte er sich ihnen offenbaren? Oder lieber noch ein Weilchen beobachten, abwarten, wie sich die ganze Sache entwickelte?
Ein neuerlicher Schwächeanfall enthob ihn der Entscheidung, übermannte ihn plötzlich und mit viel mehr Wucht als zuvor, raubte ihm beinahe das Bewusstsein. Seine Glieder wurden taub. Ihm war, als drohe sein Leib zu zerfallen, als hielte ihn nur noch die schiere Todesangst zusammen. Er sah und hörte nichts mehr, verspürte auch keinen Schmerz, jedoch konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er kurz davor stand, sich aufzulösen. Grässlich war das, ungleich schlimmer noch als damals die Durchleuchtung im Korridor, der zur Göttin geführt hatte. Wie lange es dauerte, bis der Anfall nachließ und endlich ganz verebbte, konnte er kaum abschätzen; einige Minuten aber sicher.
Während er vorsichtig Finger und Zehen ballte und spreizte, die kribbelten, als wären sie eingeschlafen, kam ihm ein Gedanke. Hing sein Zustand möglicherweise mit dem Erscheinen der Riesen zusammen? Aber nein, er war schon einige Tage davor ausgelaugt und zerschlagen gewesen, obwohl er reichlich geschlafen hatte, länger sogar als sonst.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sein Körper wieder passabel funktionierte, schlich er weiter. Er schlug einen Bogen um die
Hütten und näherte sich, auf allen vieren durch den Ölbaumhain kriechend, dem Festplatz von der Bergseite her, sodass er das Geschehen aus einer leicht erhöhten Position überblicken konnte. Die gesamte Bevölkerung war ausgerückt, vom Wickelkind bis zum Greis, und stand in einem großen Kreis um die Riesen. Zwei von diesen sprachen, leiser jetzt, mit verschiedenen Dörflern. Beide hatten sich auf den Lehmboden gesetzt; einer hielt
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