PR NEO 0035 – Geister des Krieges
Richtung Oberfläche. Vorsichtig lugte er über den Spaltenrand – und in den Lauf einer auf ihn gerichteten Waffe.
Zwei Topsider standen keine drei Schritt von seinem Versteck entfernt. Sie trugen silbrig glänzende Kampfanzüge.
Nach links!
Novaal hörte die warnende Stimme in seinen Gedanken – und tat, was sie ihm hieß. Handelte. Ruckartig warf er sich zur Seite, ignorierte den Schmerz, als seine Schulter gegen die Spaltenwand prallte, und stürzte zurück in die Tiefe.
Die Enge bremste Novaals Fall. Orientierungslos sah er sich um und begriff, dass er wieder zwischen den Spaltenwänden klemmen musste. Nun aber mit dem Kopf nach unten!
Umdrehen, schnell! Die rechte Hand hierhin, die linke nach dort. Dann das Bein anwinkeln.
Die Stimme erklärte sich nicht, gab schlicht neue Anweisungen. Novaal fand, dass es gute waren. Ächzend und mit einiger Pein gehorchte er den Ratschlägen. Als er nach oben blickte, erschien der Helm eines Topsiders am Spaltenrand.
Wieso hat er den Schutzschirm nicht aktiviert? , fragte sich Novaal. Egal! Jetzt!
Novaal riss die Waffe hoch und feuerte einfach drauflos. Rasend schnell schlug die hell gleißende Salve dem Topsider entgegen, traf ihn direkt am Helm. Die Echse, die sichtlich nicht mehr mit Gegenwehr gerechnet hatte, zuckte getroffen zurück, verlor dann das Gleichgewicht und stürzte vornüber in die Dunkelheit des Spaltes.
Novaal stöhnte, als die Leiche auf ihm landete. Das zusätzliche Gewicht ließ ihn wieder ein paar Zentimeter tiefer rutschen, aber er wusste auch, welche Chance es ihm bot. Denn der zweite topsidische Soldat war immer noch dort oben.
Es dauerte nur Sekundenbruchteile, da erschien der zweite oben am Spalt. Er hatte offensichtlich aus dem Schicksal seines Kameraden gelernt, denn statt erst die Lage zu sondieren, feuerte der Topsider sofort mit allem, was er hatte. Blindlings schlugen seine Salven in die Tiefe. Stein schmolz von den Wänden, Dreck prasselte in wahren Fontänen herab.
Ruhig. Ganz ruhig.
Novaal schluckte, vertraute aber der Stimme, die er sich nicht zu erklären wusste. Und schon wieder enttäuschte sie ihn nicht. Der Leichnam auf seinem Körper, vor allem der Panzer des altmodischen Schutzanzuges, schützte ihn vor den Schüssen des Fremden und dem schmelzenden Felsgestein. Zum dritten Mal an diesem Tag gab ihm ein Toter das Leben.
Und Novaal nutzte es. Aus der ungewöhnlichen Deckung heraus, die die Leiche ihm bot, startete er seine Gegenwehr und jagte weitere Salven aus seiner schweren Waffe gen Oberfläche. Es lag kein Zielen, kein Plan in seiner Reaktion – nur der Wunsch, zu überleben und den Kampf ehrenvoll zu beenden, einen Unterschied zu bewirken. Novaal mochte in einer Felsspalte stecken und von einem Topsider beschossen werden, aber er war in seinem Element, denn er war ein Naat.
Die Topsider würden ihn nicht gefangen nehmen. In ihrer Lage hatten sie schlicht keinen Grund dafür. Sie gewannen auch so, zumindest schienen sie dies zu glauben. Und für einen Naat kam eine Kapitulation ohnehin nicht infrage.
Also schoss er weiter. Und irgendwann traf er, durchbrach offensichtlich einen Schutzschirm.
Er merkte es erst, als sich das Gewicht des Toten auf seinem Körper verdoppelte und ihn wieder tiefer in die Spalte rutschen ließ – so tief, dass nur die Enge seinen drohenden Sturz bis zum Grund ausbremste. Keuchend stemmte Novaal sich gegen den rauen Fels. Seine Muskeln schmerzten, sein Atem ging in Schüben, rasselte. Doch er lebte. Darauf kam es an.
Über ihm regte sich etwas. Der zweite Topsider – es steckte noch Leben in ihm! Novaal sah, wie eine schwache, zitternde Hand nach ihm zu greifen versuchte, und reckte den Kopf, so gut es ihm die Enge erlaubte, konnte in der Finsternis aber kaum mehr ausmachen.
Erlöse ihn , sagte die Stimme. Sie klang sanft.
Also hob er einmal mehr die Waffe, stellte sie aufgrund der Nähe auf eine deutlich geringere Stufe ein und drückte ab. Der Topsider erschlaffte sofort. Novaal wartete, aber sein Gegner regte sich nicht mehr.
Novaal schloss kurz die Augen. »Und jetzt?«, fragte er leise in die Stille und die Finsternis.
Jetzt kletterst du hier raus!, antwortete die fremde Stimme in seinem Kopf. Nur Mut, ich weise dir den Weg.
Novaal tat wie ihm geheißen.
»Der Kampf beginnt erst ...«
Hisab-Benkh biss die Zähne aufeinander und lauschte den Worten seines Kommandanten und Freundes Tresk-Takuhn nach. Einen Moment lang schienen sie in der Schockstille, die in der
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