PR NEO 0035 – Geister des Krieges

länger Toreead sie betrachtete, desto mehr verstand er den Frust der anderen Anwesenden. So nah und doch zum Zusehen verdammt ... Novaals Anweisung war deutlich gewesen, und Tirkassul befolgte sie gehorsam – Blutrausch hin oder her.
    »Zustand des Schirmes?«, fragte der Kommandant gerade.
    Ein junger Naat antwortete ihm. »Stabil.«
    Toreead biss sich auf die Kauringe. Er wusste, was die knappe Erwiderung suggerieren sollte. Der topsidische Schutzschirm mochte momentan stabil sein; die jüngste Vergangenheit hatte aber bewiesen, dass das nicht so bleiben musste.
    »Demnach haben wir noch immer keinen Kontakt zu den Bodentruppen?«, hakte Tirkassul nach.
    »Korrekt, Kommandant«, bestätigte der Funkoffizier. Er klang darüber nicht minder erzürnt wie sein Vorgesetzter. »Den Explosionen nach zu urteilen, die wir an der Oberfläche von Rayold I registrieren, finden dort unten zahlreiche Gefechte statt. Doch der Energieschirm der Echsen verhindert, dass wir in das Geschehen eingreifen können.«
    Zahlreiche Gefechte. Toreead sah zu den entsprechenden Darstellungen. Das Wrack der KEAT'ARK füllte fast ein gesamtes Holo aus und war kaum noch mehr als ein glühendes Gerippe vor der Schwärze des Alls. Der Absturz und der topsidische Beschuss hatten wenig vom einstigen Flaggschiff des imperialen Verbands übrig gelassen.
    Wohl aber die Besatzung , dachte Toreead. Wenn die ITAK'TYLAM Explosionen auf der Mondoberfläche registrierte und sie eindeutig Gefechten zuschrieb, hatten Naats in nennenswerter Zahl überlebt. Und nun setzten sie den Echsen eben am Boden zu. Eine eigenartige Mischung aus Stolz und Wehmut stieg in Toreead auf. Sollte die topsidische Festung tatsächlich fallen?
    Kein Wunder, dass hier alle darauf brennen, ihren Teil zum Erfolg beizutragen.
    Irgendwie machte ihn das unsicher. Wusste er wirklich, was er hier tat? Was er wollte? Was war noch richtig, was falsch?
    Tirkassul trat zur Seite, betrachtete die Konsolen einiger Untergebenen, gab hier ein paar Anweisungen und kommentierte dort. Alles in allem, fand Toreead, machte der Kommandant einen leidlich zufriedenen Eindruck, wenngleich sich auch er eine vorteilhaftere Position in dieser Schlacht wünschen dürfte.
    Toreead riss sich zusammen und fasste einen Entschluss. Die Gelegenheit ist günstig. Zumindest werde ich keine bessere finden. Was er versuchen wollte, grenzte an Wahnsinn. Dennoch konnte er nicht anders. »Auf ein Wort, Kommandant?«, fragte er leise, als Tirkassul ihn passierte, und mühte sich, seinen schnellen Herzschlag zu ignorieren.
    Tirkassul blieb stehen und betrachtete ihn aus drei irritiert blickenden Augen. »Ich wüsste nicht, welches Wort das sein sollte, Soldat«, erwiderte er und betonte den letzten Begriff, sodass er fast wie eine Beschimpfung klang.
    Toreead ließ sich nicht beirren. »Es ist wichtig«, sagte er mit einer Überzeugung, die seinem Innenleben Hohn sprach. »Glauben Sie mir: Ich würde Sie nicht behelligen, wäre es anders.«
    Der Kommandant schwieg einen Moment. Dann nickte er knapp. »Folgen Sie mir!« Ohne Toreead eines weiteren Blickes zu würdigen, trat er zu einer Tür in der hinteren Wand der Zentrale. Sie öffnete sich auf sein Kommen, und Tirkassul ging in den dahinter liegenden kleinen Besprechungsraum. Erst dort drehte er sich wieder zu Toreead um. »Ich höre.«
    Toreead hörte die Tür hinter sich zugleiten und zögerte. Der Moment war tatsächlich da – und nun verließ ihn der Mut? »Ich ... Kommandant, da ist etwas, über das ich mit Ihnen sprechen wollte.«
    »So viel habe ich auch ohne Ihre Erklärungen begriffen, Soldat«, sagte Tirkassul ungehalten. »Seien Sie versichert, dass ich Wichtigeres zu tun habe, als hier mit Ihnen herumzustehen und Offensichtlichem zu lauschen. Entweder kommen Sie zur Sache, oder Sie verlassen meine Zentrale, verstanden? Falls es Ihnen entgangen sein sollte: Wir befinden uns im Krieg.«
    Toreead ahnte, dass Tirkassul ihn nur wegen Novaal und dessen Leistungen duldete. Die Erkenntnis machte es ihm noch schwerer, sein Anliegen vorzubringen. »Es geht um diese Menschen, Kommandant«, gestand er schließlich. »Um Rhodan und seine Begleiter. Ich hatte Gelegenheit, ein paar Worte mit ihnen zu wechseln und ...«
    Plötzlich glitt die Tür in seinem Rücken erneut auf. »Kommandant!«, rief eine tiefe Stimme aufgeregt.
    Toreead drehte sich um und blickte auf einen Offizier mittleren Alters. Seine weit aufgerissenen Augen zeugten von der Anspannung, die er empfinden