PR NEO 0039 – Der König von Chittagong
sie ihnen. Die völlig verdattert wirkende Frau wurde aus dem Inneren des Schiffs gebracht, vorbei an Wartenden, von denen einer nun zum Walzwerk geführt und in seine Arbeit eingewiesen wurde.
»Einer verliert, einer gewinnt«, murmelte Wuriu Sengu.
»Allesamt verlieren sie«, widersprach Kakuta. »Dies sind keine menschenwürdigen Arbeitsbedingungen. Und die Verantwortlichen unternehmen alles, um diese armen Schweine gegeneinander auszuspielen.«
Das Schiffsteil blieb hinter ihnen zurück. Kakuta fühlte ein unangenehmes Ziehen zwischen den Schulterblättern. Immer wieder blickte er sich um. Er hatte in Terrania Schulungen erhalten und wusste die Zeichen einer Verfolgung zu erkennen. Doch er bewegte sich durch eine völlig fremde Umgebung. Alles wirkte ungewohnt und exotischer gar als die Sumpflandschaften auf den Wega-Planeten.
Irgendwann erreichten sie Straßen, die vergleichsweise sauber und aufgeräumt wirkten und auch asphaltiert waren. Ihre Pods, die während des Aufenthalts in der unmittelbaren Umgebung der Werften nicht funktioniert hatten, sprachen nun wieder an. Die Geräte wiesen ihnen den Weg zum Hotel, Zur Lieblichen Orchidee , das hauptsächlich von den wenigen Touristen aus westlichen Nationen genutzt wurde.
Der Verkehr nahm zu. Zerbeulte Elektroautos lösten Karren, Fuhrwerke und Fahrräder ab. Die Fahrer hupten wie wild, gestikulierten und schimpften. Schmieriger Regen fiel, es wurde kälter. Kakuta zog seine Jacke fest um den Körper.
»Hast du die Informationen, die wir brauchen?«, fragte er und brach damit ihr Schweigen.
Sengu nickte.
»Na bitte! Immerhin ein kleiner Hoffnungsschimmer!«
»Gut für uns, dass Bankim dumm genug war, mir die Unterlagen vor die Nase zu legen.« Der Freund grinste. »Es fällt mir zwar schwer, mehrere Schichten Papier mit Blicken voneinander zu trennen; aber es hat geklappt. Ich konnte alles lesen.«
Die Liebliche Orchidee kam in Sicht. Das dreistöckige Gebäude war hell erleuchtet, ein Fanal inmitten meist dunkler Wohnhäuser.
»Was hast du über Sandhya herausfinden können?«
»Er treibt sich hauptsächlich im südlichen Werftgebiet herum. Die Informationen, die uns Bankim beschafft hat, stimmen mit jenen Gerüchten überein, die wir mitgeteilt bekommen haben. Er ist zehn Jahre alt und kann die Konsistenz von Metallen verändern oder sie ganz auflösen. Allem Anschein nach hat er diese Gabe nicht völlig unter Kontrolle. In seiner unmittelbaren Umgebung kommt es zu ... Unfällen. Er hat in mindestens drei Fällen um sich geschlagen, weil er sich ungerecht behandelt fühlte. Deshalb macht er auf die Ärmsten der Armen in Chittagong den Eindruck, als wollte er ihnen helfen.«
»Wo finden wir ihn?«
»Es gibt drei Orte, an denen er immer wieder auftaucht. Dort werden wir suchen müssen.«
»Du hast dir die Adressen gemerkt?«
»Ja.« Sengu fuhr sich durchs Haar. »Meinst du, dass ich eine Prämie bekomme, weil ich Adams eine halbe Million Taka gespart habe?«
»So, wie ich ihn kenne, wird er sich mit einem Dankeschön begnügen. Oder gar nur mit einem Danke. In letzter Zeit spart er sogar mit Worten.«
Sie erreichten das Hotel. Einige Bodyguards lungerten vor dem Eingang, musterten sie abschätzig und wandten sich dann wieder ihrem Würfelspiel zu.
Die Mutanten zogen sich auf ihr Doppelzimmer zurück. Die Betten waren frisch gemacht, ein Blatt Cocabetta lag auf der Decke wie in anderen Weltgegenden ein Stück Schokolade. Kakuta griff danach, wütend, zerknüllte es und wollte es in der Toilette runterspülen.
Zögerte dann. Und kostete mit der Zungenspitze von dem grüngelben Saft, der sich über seine Handinnenfläche verteilte.
»Und?«, fragte Sengu. »Wie schmeckt es?«
»Scharf. Und es prickelt auf der Zunge.« Angewidert warf er das Blatt weg und wusch sich die Hände. Er reinigte das Gesicht und hielt die Hände lange Zeit davor, um die Röte zu verbergen. Er schämte sich. Er hatte sich vor seinem Freund und Kollegen eine Blöße gegeben und gezeigt, dass er vor Gefahren wie dieser keinesfalls gefeit war. Denn das Zeug hinterließ einen angenehmen Nachgeschmack; eine Art Wärme, die er bedauerte, allzu rasch wieder verloren zu haben.
Sie setzten sich ans Fenster und starrten in die Dunkelheit hinaus. Es gab so viel zu berichten von all den Eindrücken, die sie an diesem Tag gesammelt hatten.
Ja. Es waren zu viele. Und sie machten sprachlos.
In Blickrichtung Hafen erleuchtete ein einzelner Feuerwerkskörper den Nachthimmel. Gleich
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