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PR NEO 0039 – Der König von Chittagong

PR NEO 0039 – Der König von Chittagong

Titel: PR NEO 0039 – Der König von Chittagong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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ärztlichen Ethos vereinbar?«
    »Sie verstehen das nicht, weil ...«
    »Weil ich kein Erdgeborener bin? Weil ich mich in den hiesigen Gepflogenheiten nicht auskenne? Glauben Sie mir: Ich habe mich ausführlich mit Ihren Ansichten zur Medizin und Heilung beschäftigt und bin zum Schluss gekommen, dass in mancherlei Hinsicht nicht der Patient, sondern das System, in dem er behandelt wird, krank ist. Wenn Sie mich nun bitte entschuldigen! Ich muss mich auf einen weiteren Eingriff vorbereiten. Und darauf, mit einigen Ihrer Kollegen dieselben öden Streitgespräche zu führen. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag!«
    Er ließ einen völlig verdatterten Bernd van der Kruymp zurück. Im Gesicht des Australiers zeigten sich Zornesfalten ... und so etwas wie Ratlosigkeit. Er war wie ein kleiner Schuljunge behandelt worden und wusste damit nicht umzugehen.
    Sue wandte sich ab und beobachtete die Reaktion jener Ärzte, die das Zwiegespräch mitverfolgt hatten. Manche von ihnen zeigten Symptome der Angst. Sie fürchteten sich vor Fulkar und davor, ihm eines Tages von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Andere wirkten nachdenklich. Vielleicht verstanden sie, was der Ara hatte sagen wollen: Die Gesundheit des Patienten war das höchste Gut, und ihm waren auch persönliche Ängste oder Eitelkeiten unterzuordnen.
    Sue hatte die Operation an dem Mädchen mit ihren besonderen Sinnen mitverfolgt. Die Blutwäsche war für sie wie ein Rausch gewesen. Schadstoffe waren weggespült worden wie Lössbrocken, die Sturzwasser löste und mit sich riss. Dann waren gezielt injizierte Nanopartikel zum Einsatz gekommen; vergleichsweise riesenhafte und grobklotzige Gesundheitspolizisten aus Paclitaxel-Albumin, die alles auffraßen, was sie für schadhaft hielten. Sie rissen allerdings auch nicht befallene Tumorträger mit sich und schwächten das Immunsystem des menschlichen Organismus. Ihr Einsatz blieb riskant. Doch Fulkar hatte das Richtige getan – wie so oft während der letzten Wochen.
    Sue gähnte und grüßte zum Abschied. Keiner der Ärzte achtete auf sie; bestenfalls wunderte man sich, was ein derart junges Mädchen hier zu suchen hatte.
    Die Sicherheit, mit der Fulkar agierte, imponierte ihr. Von ihm hatte sie noch viel zu lernen. Bei alldem, was sie tat, spielten stets Angst und Unsicherheit eine Rolle. Je länger sie sich mit ihren Fähigkeiten, in die organische Struktur von Menschen einzugreifen, beschäftigte, desto mehr gingen ihre instinktiv angewandten Heilfähigkeiten verloren. Sie verstand allmählich, was sie tat und wie sie es tat. Doch sie selbst verlor sich dabei. Sue war wie ein Sänger, der seine Stimme ausbildete, ausreizte, erforschte, den Ursachen für seine Begabung auf den Grund ging – und letztlich aller Leichtigkeit verlustig ging.
    Weiter. Hoch zu den einfacheren Fällen, die in Terrania Central behandelt wurden. Solche, die bei Unfällen in der Stadt zu Schaden gekommen waren oder aufgrund ihres einfachen Behandlungsbildes hintangehalten wurden. Die Anhängsel eines stetigen Stroms an Patienten, die sich vom hiesigen Personal Wunder erhofften.
    Mehr als zweihundert Frauen und Männer warteten darauf, von dem von Doktor Manoli geleiteten Ärzteteam empfangen zu werden. Sue blieb am Eingang stehen, schloss die Augen, klammerte die äußeren Eindrücke aus und suchte nach dem Feind. Nach Bazillen, Viren, Gewebeschädigungen, Schadstoffen. Sie fand sie zuhauf. Sie bildeten ein Panoptikum, nicht mit dem Auge erkennbar, aber als Fehler in einer riesenhaften Matrix, die sich nicht nur in die drei Dimensionsebenen erstreckte, sondern auch in die Tiefe ging. Was sich in einer ersten Momentaufnahme als winziger Infektionsherd zeigte, entpuppte sich, je tiefer Sue ins Innere seiner Struktur vordrang, als monströses Gebilde.
    Sie hatte den Kopf mit medizinischen Fachbegriffen vollgestopft bekommen. Insbesondere Manoli und Frank Haggard hatten sich ihrer angenommen. Doch Worte und medizinische Beschreibungen reichten nicht aus. In Sues Welt existierten Schädlinge, die sie in »Exaktfresser« und »Flächenfresser« unterschied. Oder solche, die sie als »Langzeitschmutzfinken« bezeichnete, im Gegensatz zu »Kurzfurzern.«
    Sie hatte eine Sprache entwickelt, die sie mit niemandem teilen konnte. Nichts davon hatte eine Entsprechung in der Realität. Begriffe wie Dunkeljucker und Rotgriesler, Schwachgleiter und Haltläufer beschäftigten sie seit geraumer Zeit. Dies waren allesamt selbst erfundene Begriffe für

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