PR NEO 0039 – Der König von Chittagong
meisten interessieren.«
Sue nickte einer Frau im Rollstuhl zu und umrundete sie weitläufig. »Takita ist ganzkörpergelähmt. Sie hasst alle Menschen, denen es besser geht als ihr – und sie lässt das ihre Umgebung spüren. Fühlst du ihre Abneigung? Sie macht, dass man sich ihr bloß unter größten Mühen nähern kann.« Sie deutete auf eine junge Frau, kaum älter als sie, die sich abseits hielt, sich in der Nähe zu einigen Büschen angeregt mit einem Mann unterhielt. – War das Tako Kakuta, der Teleporter? War er denn nicht im Einsatz im ostasiatischen Raum? »Ariane kennst du ja bereits. Sie kann Gerüche heraufbeschwören, sie aber auch identifizieren. Es gibt keinen besseren Spürhund als sie. Sie ist eine der überlebenden Insassen von Camp Specter.«
Ich mag sie nicht. Sie macht mit allen möglichen Jungs herum. Sie manipuliert sie mit ihren Gerüchen, und diese dummen Kerle fallen auch noch reihenweise auf sie herein. – Sonderlich hübsch ist sie eigentlich nicht. Recht klein, mit einem breiten Po und einigen Kilogramm Schminke ins Gesicht gepappt.
»Das war die Führung durchs Gelände des Lakeside Institute«, sagte Sue, mit einem Mal unruhig geworden. Ihr kam ein Gedanke, der sie lächeln ließ. »Was hältst du davon, wenn wir einen Ausflug in die Stadt machen? John meinte doch, ich solle dich auf andere Gedanken bringen. Ich hätte da eine Idee, die dir gefallen könnte.«
Sue grüßte den Portier. Er winkte sie durch, wie immer. Als er Quiniu Soptor zu Gesicht bekam, verschluckte er sich beinahe an seinem Sandwich, ließ sie aber anstandslos passieren.
Es roch nach Desinfektionsmitteln. Ariane hätte jetzt wahrscheinlich die Nase gerümpft und dafür gesorgt, dass es nach Rosen duftet.
»Willkommen in Terrania Central, der Klinik der Unionshauptstadt und damit Teil des Stardust Towers«, flüsterte eine Stimme, sobald sie den Fuß ins Innere des Gebäudes gesetzt hatte. »Begeben Sie sich zu einem der Schalter im rechten Bereich der Aula, sollten Sie eine Auskunft benötigen ...«
Sue hörte nicht weiter zu. Sie hatte dieses Sprüchlein viel zu oft gehört und längst verinnerlicht. Sie wusste, welche Wege sie zu nehmen hatte, um in die Klinik zu gelangen, ohne allzu viel Aufsehen zu erregen. Doch würde ihr das auch heute gelingen? Quiniu war ein Blickfang sondergleichen. Ihr blaues Federhaar und vor allem die silbrig glänzenden Augen irritierten die Menschen ringsum.
»Wir nehmen die Nottreppe«, entschied sie und zog die Halbarkonidin mit sich. Weg von all den Patienten, die voll Hoffnung hierherkamen, und all den Angestellten, die den Eindruck erwecken wollten, als wäre dies hier eine Wohlfühlanlage und kein Krankenhaus.
Im Treppenhaus stank es nach Zigaretten wie immer. Ein Assistent eilte an ihnen vorbei. Er hielt Unterlagen in der Hand und wedelte damit, als ginge es um Leben und Tod – und womöglich war es auch so. So gut die Tünche auch sein mochte, mit der man den eigentlichen Zweck des Central übermalte: Letztlich war es doch ein Ort, an dem eine Menge Menschen starben. Selbst die Kunst der besten Ärzte des 21. Jahrhunderts hatte Grenzen.
Vierter Stock. Kinderklinik. Sollte sie ihren Rundgang hier beginnen, so wie meist?
Sue entschied sich dagegen. Eine bärbeißige Schwester namens Leisha tat hier fast jeden Nachmittag Dienst. Sie würde nichts Besseres zu tun haben, als ihre Anwesenheit an die Kleingeister der zentralen Verwaltung zu melden. Und dann war es nicht mehr weit bis zu Haggard, Fulkar oder Manoli, die sicherlich wussten, dass sie Anweisungen hatte, den Kliniken heute fernzubleiben.
Dabei bringe ich Quiniu bloß auf andere Gedanken! Vielleicht interessiert es sie, was hier mit ferronischer Ingenieurstechnik und dank arkonidischem Know-how aufgebaut wird.
Sie stiegen hoch zur Cafeteria. Es herrschte wenig Betrieb um diese Uhrzeit. Patienten wie Angestellte genossen die Aussicht aus luftiger Höhe hinab aufs städtische Geschehen. Der Verkehr hatte während der letzten Wochen stark zugenommen; neue Fahrzeugtypen waren zu sehen, auch sie meist in Kleinserien gefertigt, von Start-up-Unternehmen, die ihre Versuchsballons testeten.
Hinter einer der dekorativen Säulen befand sich Sues Lieblingsplatz. Hier blieb sie unerkannt und konnte dennoch nach den Kranken in näherer Umgebung greifen.
Sie schob Quiniu hinter den Pilaster und verbarg ihr Gesicht hinter einem der großformatigen Lesepods, die kostenlos zur Verfügung standen und beschränkten
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