PR NEO 0039 – Der König von Chittagong
einer der Ruinen hinab. Er sieht zwei Schatten, die sich eng gegen Felsbrocken drängen. Sie unterhalten sich leise und doch so laut, dass er einen Teil des Gemurmels versteht.
Der eine Schatten sagt: »Ich kriege ihn!«
Der Lauf einer Waffe schiebt sich über Fels. Er kratzt und schabt über das Gestein. Er hinterlässt ganz dünne Spuren, die Kakuta dennoch wahrnehmen kann, mit seinen geschärften Sinnen, die denen eines Vogels gleichkommen.
Der Lauf zeigt in Richtung eines Platzes, der vor einer anderen Ruine liegt. Zwei Männer stehen dort. Arkoniden? Arkoniden!
»Nein!«, schreit jemand, womöglich der zweite Schatten. »Tun Sie das nicht! Sie ...«
Es ist zu spät. Ein Energiestrahl zuckt aus dem Lauf. Er ist weiß wie die Unschuld, doch er bringt das Rot des Todes.
Kakuta erwachte schweißbedeckt. Er hatte das Gefühl, schreien zu müssen. Der Traum war so intensiv, so lebensecht gewesen, dass er meinte, noch immer den Duft der Blumen in der Nase zu haben – und den Gestank des Todes.
Ariane neben ihm erwachte ebenfalls. Sie wirkte wie betäubt. Er legte ihr die dünne Decke um den zitternden Körper. Er wollte Tröstendes sagen, fand aber keine Worte. Zu intensiv war, was er eben geträumt hatte.
»Ich hatte einen seltsamen Traum«, sagte er vorsichtig.
»Ich kann's riechen.« Sie gähnte und streckte sich. »Es scheint für dich nicht angenehm gewesen zu sein.«
Kakuta fühlte sich gedrängt, einige Schritte zu tun. Um sich selbst zu spüren und zu sehen, dass er sich nach wie vor in Chittagong befand und nicht in dieser albtraumhaften Welt, in der er einen Mord miterlebt hatte.
Er trat auf den Balkon hinaus. Er bot Ausblick auf schmales Gassenwerk, durch das kleine, gedrungene Gestalten hetzten. Ein Antennenwald beherrschte die Dächer, von überall her dröhnten Musik und Stimmen und der Ruf der Imame, die von ihren Muezzins herab zum Gebet aufriefen.
Vor dem Eingang zum Hotel lungerten mehrere Männer. Sie rauchten oder kauten Cocabetta-Blätter. Einer von ihnen zog sich in den Schatten eines Vordaches zurück, als er Kakutas Blicke bemerkte.
Er ging ins Zimmer zurück, griff nach seiner Ausrüstung, zog die Handschuhe des Infrarotspürers an und lugte vorsichtig in die Tiefe hinab, sodass ihn der andere nicht sehen konnte.
»Was ist ...?« Ariane kam auf die Beine.
»Da unten steht ein Kerl, mit dem ich mich unterhalten möchte. Er sieht mir so aus, als wüsste er einige Antworten auf unsere Fragen.«
»Ich begleite dich.«
»So, wie du bist? Halb nackt und mit verschmierter Schminke? – Keine Sorge. Mit so einem werde ich auch allein fertig. Aber bereite dich darauf vor, dass wir rasch handeln müssen, wenn ich zurückkehre.«
»Verstanden.« Ariane fügte sich überraschenderweise. Womöglich roch seine Begleiterin, dass er keinen Widerspruch duldete, nicht jetzt.
Kakuta wartete. Es war ein Spiel, in dem er vom Gejagten zum Jäger zu werden beabsichtigte. Er hatte es so satt, im Dunkeln herumzustochern, beobachtet und überwacht zu werden, seinen Gegner nicht zu kennen. Zumal er sich große Sorgen um Wuriu machte. Es wurde Zeit, dass er die Initiative ergriff.
»Ich bin fertig mit der Ausrüstung«, flüsterte ihm Ariane zu. »Und meine Schönheit ist wiederhergestellt.«
»Gut. Du wartest dennoch, bis ich zurückkehre.« Kakuta würdigte sie keines Blicks.
Da war der Mann! Er traute sich endlich wieder aus seiner Deckung hervor, vorsichtig und misstrauisch. Er wechselte einige Worte mit einem Kumpan, deutete in Richtung ihres Hotelzimmers und verabschiedete sich.
Kakuta beobachtete ihn, solange es ihm von hier oben möglich war. Dann nickte er Ariane zu, konzentrierte sich. Er teleportierte in ein Zelt, in dem ein Händler Tücher sowie Kleider verkaufte und sich gerade mit einer Frau um den Preis eines billigen Schals stritt.
Kakuta verbarg sich hinter einem Stapel bunter und dünner Stoffe. Alles hier war feucht und roch unangenehm.
Der Mann huschte am Geschäft vorbei, ohne nach links oder rechts zu blicken. Tako nahm die Verfolgung in geduckter Haltung auf, um zwischen den Bangladeschern nicht aufzufallen. Dennoch konnte er es nicht verhindern, dass ihn Entgegenkommende anstarrten. Seine helle Haut, die westliche Bekleidung, sein selbstsicheres Verhalten – dies alles unterschied ihn von den Einheimischen.
Dem Ganoven war anzumerken, dass er sich in diesem Viertel gut auskannte. Andere Menschen wichen ihm aus. Manche von ihnen bedachte er mit Worten, die sie
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