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PR NEO 0039 – Der König von Chittagong

PR NEO 0039 – Der König von Chittagong

Titel: PR NEO 0039 – Der König von Chittagong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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mag.«
    »Wir gehen zum gesperrten Werftgelände. Von dort an musst du die Führung übernehmen.« Kakuta schnallte sich den Hightech-Rucksack um. Er trug denselben wie seine Begleiterin. Beide waren sie grau, flach und bestanden aus Flexi-Plast, das sich von selbst an die Körperform seiner Träger anpasste. In ihm steckten all die Ausrüstungsgegenstände, die er mit sich genommen hatte. Vorerst würden sie dort bleiben, denn wenn alles so klappte, wie er es sich wünschte, würde Ariane sie schnurstracks zu Wuriu führen.
    »Es ist alles sehr verwirrend für mich«, meinte Ariane nach einer Weile. »Der Angstgeruch ist vorherrschend. Die meisten Menschen sind verzweifelt und resignativ. Aber es gibt auch aggressive Grundstimmungen, und die sind zum Fürchten.«
    »Du kannst Emotionen so deutlich riechen?«
    »Nein. Ich filtere Botenstoffe aus und interpretiere sie. Das ist alles andere als leicht – aber es hilft ungemein, wenn man ein Gegenüber einschätzen möchte.«
    »Wonach rieche ich denn?«
    »Nach verlorener Ehre und nach Scham«, sagte Ariane. »Du und Wuriu, ihr seid leicht zu durchschauen. Ihr bemüht euch, nur wenig Emotionen zu zeigen. Doch diese bewusste Beherrschung der Mimik bringt mit sich, dass ihr eure Gefühle auf andere Weise ausdrückt, ohne es selbst zu bemerken. Ihr könnt mir nichts vormachen, niemals.« Leise fügte sie hinzu: »Deshalb war ich auch so überwältigt, als ich Wurius Empfindungen mir gegenüber riechen konnte.«
    Kakuta wusste nicht, was er sagen sollte. Er fühlte sich verletzlicher als jemals zuvor, und mit einem Mal hasste er seine Begleiterin. Sie hatte kein Recht, derart tief in ihn hineinzublicken!
    »Ich rieche jetzt auch das«, sagte sie fast traurig. »Mir bleibt nichts verborgen.«
    »Du besitzt eine sehr mächtige Gabe.«
    »Mag sein. Aber weißt du, was das Problem ist?«
    »Welches?«
    »Ich kann mich selbst nicht riechen. In keinerlei Hinsicht.«
    Ariane Colas beschleunigte ihren Schritt und übernahm die Führung, während sie sich durch die Menschenmassen zwängten, vorbei an kleinen Ständen und durch enges Gassenwerk.
     
    »Zu spät ...« Kakuta trat verärgert gegen eine Platte rostigen Metalls, die wie ein Mahnmal im Schlamm stak. Dort, wo am Vortag noch ein Schiffskutter vor sich hin gerostet hatte, war nun kaum etwas zu sehen. Bloß Reste waren übrig geblieben. Zeug, das keinerlei Wert besaß, nicht einmal für die ärmsten der Armen: verfaulte Matratzen, Plastik- und Glassplitter. Bündel vergilbten Papiers, die Schicht für Schicht vom Wind abgetragen wurden. Fettbatzen, die womöglich aus der Küche des Schiffes stammten, Lachen verunreinigten Diesels, kaputter Hausrat, Tücher in allen Größen. Bekleidung, die niemand mehr anziehen würde.
    Dies alles würde vom Meer verschluckt werden, sobald der richtige Monsunregen kam, und er würde dazu beitragen, dass die Wasserverschmutzung in diesen Breitengraden weiter zunahm.
    »Binnen weniger Stunden ist das gesamte Schiff zerlegt und abtransportiert worden.« Kakuta schüttelte den Kopf, immer wieder. »Das ist so gut wie unmöglich! Da müssen ganze Hundertschaften an Menschen dran beteiligt gewesen sein!«
    Eine Frau humpelte vorbei in Richtung eines kleinen Fischerboots, das einsam und allein in der Nähe des Leuchtturms in der Brandung schaukelte. Ihr verkrüppeltes linkes Bein war mithilfe eines Bretts geschient. Eine offene Wunde am Knie war von rotem und grünem Schaum eingerahmt. Insekten umkreisten sie.
    »Du da!«
    Ariane lief ihr nach. Für Kakutas Geschmack benahm sie sich plump und keinesfalls den Gepflogenheiten der Höflichkeit angepasst. Doch zu seinem Erstaunen ließ sich die Alte auf ein Gespräch ein. Er folgte dem Gespann, um zu hören, was die Frau zu sagen hatte.
    »... keine Ahnung, warum alles so schnell vor sich gehen musste«, sagte sie eben. »Frauen und Männer strömten wie Ameisen herbei. Sie arbeiteten Tag und Nacht, um das Schiff abzutragen.« Sie winkte ab. »So etwas geschieht öfter. Irgendeine große Firma streut das Gerücht aus, dass bestimmte Materialien dringend gebraucht werden. Dann arbeiten die großen Bosse und Warlords auf einmal zusammen, um so viel wie möglich in kurzer Zeit zu verdienen.«
    »Das Schiff wurde innerhalb von anderthalb Tagen zerlegt und abtransportiert?« Kakuta konnte es nicht glauben.
    »Ja! Willst du etwa sagen, dass ich lüge?«, blaffte die Frau wütend.
    »Nein, aber ...«
    »Bereits gestern Abend waren sie mit der Arbeit fertig.

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