PR NEO 0041 – Zu den Sternen
stets Gedanken machen musste, würde er schneller an seine Grenzen stoßen, als ihm lieb war.
Der Supercopter hob vom Landefeld ab. Die Kadetten lehnten sich in ihren Gurten weit nach vorne, um Baikonur in seiner gesamten Pracht genießen zu können.
Der Weltraumbahnhof war in den letzten Jahrzehnten trotz der internationalen Querelen um die Raumfahrt stetig gewachsen. Dabei standen noch etliche der Gebäude und Einrichtungen aus dem vorigen Jahrhundert. Die Verschmelzung vom Historischen und Modernen machte Baikonur zu einem atemberaubenden Freilichtmuseum. Die in den letzten Monaten hinzugekommenen Gebäude aus der arkonidischen Modulbauweise verliehen dem Gelände einen zusätzlichen exotischen Touch.
Die untergehende Sonne zauberte Tausende verschiedene Farben und Reflexe, vor denen die Funktürme wie Scherenschnittmuster aufragten.
Der Copter gewann schnell an Höhe. Dann senkte sich seine Schnauze, und das Fluggefährt beschleunigte mit so hohen Werten, dass Sid tief in die Seitenlehne gepresst wurde.
»Sie haben den Zeitpunkt des Starts gut gewählt«, sagte Anna Dahlin, die unentwegt aus dem Fenster blickte. »Wir erhalten noch einen schönen Eindruck von Baikonur, dann wird es zu dunkel sein, um zu sehen, wohin der Flug geht.«
»Dann wissen wir auch schon, wie es weitergehen wird«, sagte Hollander.
Sid war froh, dass Hollander als Gruppenführer ausgewählt worden war und nicht er. Der Kalifornier strahlte Zuversicht und Ruhe aus, genau das, was er nun benötigte.
»Ein Sturm wird aufziehen«, sagte Juri.
Hollander lehnte sich nach vorne, um an Sid vorbeizusehen. »Bist du sicher?«, fragte er. »Bisher sieht man nichts davon. Woran erkennt man einen aufziehenden Sturm in der Steppe?«
Juri wandte den Kopf um. Zum ersten Mal seit ihrer Unterhaltung im Krankenhaus lächelte der junge Kasache. »Das ist ganz einfach«, sagte er mit verschwörerischer Stimme. »Man muss nur die Wettervorhersage lesen und richtig deuten.«
»Okay«, sagte Hollander. »Dann wollen wir hoffen, dass uns dieser Sturm verschont.«
Nachdem die Sonne vollständig untergegangen war, vollführte der Copter mehrere Richtungswechsel. Bereits nach wenigen Minuten hatte Sid keine Ahnung mehr, in welche Himmelsrichtung sie unterwegs waren.
»Willkommen in der Nacht«, erklang Wrinkles Stimme im Kopfhörer. »In zwei Minuten werden wir die erste Gruppe absetzen. Es wird wie folgt ablaufen: Der Gruppenführer wird mir bestätigen, dass seine Gruppe komplett ist. Danach hat sie exakt hundert Sekunden Zeit, aus der Transportbox zwölf Ausrüstungsgegenstände auszuwählen. Dabei lege ich Wert darauf, dass die Gruppenführer nur den Stichentscheid treffen, falls die Gruppe sich nicht einig ist. Ihr habt nicht viel Zeit – wählt weise! Ich werde mich an der Entscheidung nicht beteiligen; selbst wenn ich sehe, dass ihr unnütze Gegenstände ausgewählt habt.« Er machte eine kurze Pause. »Ihr habt bei dieser Mission zwei Ziele: Erstens: überleben. Zweitens: den Rückweg in eure Quartiere finden. In euer warmes Bett, das auf euch warten wird.«
Sid spürte, wie sich in seinem Nacken eine Gänsehaut bildete. Er blickte zu Hollander hinüber. Im blassen Schein der Innenbeleuchtung sah er, dass der Kalifornier lächelte.
5.
20. März 2037
»Hundert Sekunden«, sagte Wrinkle. »Ab jetzt!«
Maurice S. Hollander klappte den Deckel der Transportbox auf. Zwei kleine Scheinwerfer an der Innenseite des Deckels warfen ein grelles Licht auf die Ausrüstung.
»Ein Bund Thermodecken, dicke Schlafsäcke, ein Heizaggregat mit Benzintank«, zählte der Kadett auf, »Schneeschuhe, ein Funkgerät, ein Gewehr, eine Signalpistole, ein Wassertank, ein kleiner Kocher, Konzentratnahrung, ein Zelt, ein Spiegel, ein Erste-Hilfe-Koffer, ein Nylonseil, ein Kompass, Kartenmaterial und ein aufblasbares Boot.«
Sekundenlang sagte niemand etwas. Mit angehaltenem Atem blickte Sid auf die Ausrüstungsgegenstände, die sorgfältig in der Transportbox verstaut waren.
»Zwölf Gegenstände«, erinnerte sie Wrinkle. »Und noch fünfundachtzig Sekunden.«
»Wir brauchen sicher die Karten, um uns zurechtzufinden«, sagte Anna Dahlin.
»Das ist richtig«, pflichtete ihr Hollander bei. »Und die können wir nur gebrauchen, wenn wir einen Kompass haben.«
»Brauchen wir den wirklich?«, fragte Hammadi. »Dort oben ist der Polarstern. Wir können uns an ihm orientieren!«
»Sicher nicht, wenn gleich der Sturm aufzieht«, sagte Caster Brubaker abschätzig, der
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